Auch im Zweiradbereich macht die aktive Sicherheitstechnik ständig Fortschritte. IMTEST erklärt, wie die elektronischen Systeme helfen, einen Unfall zu vermeiden.
Analog zum Auto werden auch die Zweiräder in Sachen Sicherheit ständig weiterentwickelt. Und das ist gut so, denn Motorradfahrer haben keine schützende Karosserie um sich und sind bei einem Unfall daher besonders gefährdet. Immer mehr elektronische Sicherheitssysteme sorgen deshalb dafür, dass es am besten gar nicht erst zu kritischen Situationen kommt.
Abgrenzung aktive und passive Sicherheit
Zunächst ist zwischen aktiver und passiver Sicherheit zu unterscheiden: Aktive Sicherheitssysteme helfen, einen Unfall zu vermeiden. So zum Beispiel ABS, das ein Blockieren der Räder verhindert, wodurch das Fahrzeug bei einer Vollbremsung lenk- und beherrschbar bleibt. Passive Sicherheitselemente hingegen mildern die Folgen eines Unfalls – bestes Beispiel ist der Airbag, der das Risiko schwerer Verletzungen bei einer Kollision verringert. Dieser Ratgeber behandelt die aktive Sicherheit – das Thema passive Sicherheit beim Motorrad ist Gegenstand eines separaten IMTEST-Ratgebers.
ABS / Kurven-ABS
Das oben bereits angesprochene Antiblockiersystem ABS war im Automobilbereich ein Durchbruch in Sachen aktiver Sicherheit. Nach ersten Versuchen mit mechanischen Konstruktionen in den 1960er Jahren wurde das elektronisch geregelte Antiblockiersystem, wie wir es heute kennen, in den Siebzigern serienreif. ABS verhindert ein Blockieren der Räder bei einer Vollbremsung, wodurch der Wagen lenkfähig und spurtreu bleibt. Das Fahrzeug gerät in solchen Fällen also nicht ins Schleudern und kann eventuell um ein Hindernis dirigiert werden. Selbst eine Vollbremsung bei Nässe in einer engen Kurve muss nicht wie früher im Graben enden. Soweit die Physik beim Auto, das mit vier vergleichsweise großen Reifenaufstandsflächen hohe Kräfte übertragen und nicht wie ein Zweirad kippen kann.
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Ein Motorrad ist fahrdynamisch hingegen wesentlich empfindlicher: Da es nur mit der Aufstandsfläche (dem sogenannten Latsch) von zwei kleinen Handtellern den Kontakt zur Fahrbahn hält, lassen sich weit weniger Kräfte übertragen als bei einem Auto. Zudem besteht bei seitlichem Wegrutschen eines Reifens akute Sturzgefahr. Das Motorrad-ABS, erstmals 1988 gegen Aufpreis bei BMW erhältlich und seit 2017 bei Neuzulassungen Pflicht, mindert das Risiko eines Sturzes erheblich – es muss dazu aber höchst feinfühlig arbeiten und auf die spezielle Fahrphysik des Zweirads abgestimmt sein.
Denn bei schneller Fahrt in Schräglage neigen die Reifen wesentlich früher zum Blockieren und Wegrutschen als bei Geradeausfahrt, wo vergleichsweise hohe Bremskräfte übertragen werden können. Daher verfügt ein modernes Motorrad-ABS auch über Neigungswinkelsensoren, die die Schräglage berücksichtigen. Das Verhindern des Blockierens sorgt als Nebeneffekt übrigens auch dafür, dass das stabilisierende Kreiselmoment der Räder aufrechterhalten wird, was einem Sturz zusätzlich entgegenwirkt.
Neue Systeme sind vorausschauend
Die neuesten Systeme verfügen über zusätzliche Beschleunigungs- und Gierratensensoren, die mit sehr hoher Taktfrequenz arbeiten und stets den fahrdynamischen Zustand des Bikes analysieren. Dadurch können kritische Fahrzustände blitzschnell, fast vorausschauend, erfasst und selbsttätig über Bremseingriffe entschärft werden. Hersteller wie KTM sprechen bei diesem in gewissen Grenzen kurventauglichen ABS schon von einer Motorrad-Stabilitätskontrolle – analog zur Elektronischen Stabilitätskontrolle ESP beim Auto. Doch freilich kann auch das modernste System bei einem Zweirad die Physik nicht außer Kraft setzen und einen Sturz immer zuverlässig verhindern. Das hat letzten Endes immer noch der Fahrer in der Hand – buchstäblich.
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