Was habe ich immer über die Rennrad-Fahrer gelacht. Rad für tausende Euro, die Klamotten farblich aufeinander abgestimmt, und auch auf das Rennrad selbst. Schwarzes Bike, schwarze Klamotten, aber rosa Radsocken und eine komplett verspiegelte Sonnenbrille. Dazu ein Radcomputer für 1000 Euro, und eine adäquate Pulsuhr, ebenfalls über 1000 Euro.
Wer heute nicht auf sein Äußeres achtet, einen gewissen Fetisch für Ausrüstung entwickelt hat, der ist kein echter Rennrad-Fahrer. Wahrscheinlich wollte ich alleine aus diesem Grund nie dazu gehören. Für mich war lange Zeit klar: Ich brauche gute Schuhe, ein nettes Shirt, ne gute Hose, und…naja gut…eine Pulsuhr. Worauf ich aber gut verzichten konnte, ist ein Statement, um mich als echter Sportler zu fühlen. Ich kenne Leute, die laufen seit Jahren mit den selben Shirts, mit den selben Hosen. Alleine die Schuhe werden ab und an erneuert. Und zwar genau dann, wenn die Sohle runter ist. Vor ihnen hatte ich immer schon einen großen Respekt, so war ich nie, so wäre ich wirklich gerne gewesen.
Vom Fußball-Profi zum Super-Läufer, Respekt, André Schürrle
Für unseren Kolumnisten ist André Schürrle ein echtes Vorbild, aus mehreren Gründen.
Ich muss ehrlich machen
Wer sich allerdings ein wenig für Mode interessiert, wer sich in seinem Körper wohlfühlt, aber auch gerne nach außen ein gepflegtes und gutes Bild abgeben will, wem das auch nur im Ansatz wichtig ist, der wird schneller zum Shopping-Opfer als man denkt. Die gute Pulsuhr war das erste Gear, das ich unbedingt haben musste, selbstverständlich rein der Gesundheit wegen. Selbstverständlich. Zudem braucht man ja auch recht viele Laufshirts, wenn man oft läuft. Die Schuhe gehen ebenfalls schneller in die Knie, wenn man nahezu jeden Tag auf der Strecke ist, da dürfen es dann gerne vier oder fünf Paare sein. Sie merken: Ich rutschte recht schnell in den Strudel des Marketings. Es ist so wie bei einem neuen Auto. Hat man es, sieht man plötzlich überall dieses Auto. Davor hat man es kaum wahrgenommen. So verhält es sich beim Lauf-Zubehör. Ist man einmal drin, sieht man überall die spezielle Uhr, schaut anderen Läufern plötzlich auf die Füße um zu sehen, welchen Carbon-Schuh sie denn tragen. Und dann kommt die Überlegung: Ist der neue Carbon-Schlappen der Marke XY vielleicht besser? Macht der schneller? In jedem Fall sieht er professioneller aus. Und damit verknüpft das enorme Preisschild: Sind 250 Euro und mehr für einen Sportschuh zu rechtfertigen? Ich kenne inzwischen all diese Gedanken, und ganz ehrlich: Inzwischen lache ich nicht mehr über Radfahrer mit dem Equipment Fetisch, ich bin heute der Radfahrer unter den Läufern.
Es ist okay, einen Equipment-Tick zu haben
Es gibt Menschen, die verstehen diesen Fetisch nicht. Sie stempeln die Equipment Läufer als reine Shopping-Queens ab. Und nochmal: Ja, ebenso despektierlich lästerte ich über die Radfahrer. Inzwischen denke ich anders. Ganz anders, denn: Es geht einzig und alleine um ein gutes Gefühl. Wer viel Sport treibt, wer dranbleiben will, wer immer wieder den Schweinehund überwinden muss, der braucht Anreize. Der braucht Motivation. Neues Gear kann genau diese Art von Motivation sein. Es geht nicht darum, schnellere Zeiten mit dem besseren Schuh zu erzielen, niemand will an den Olympischen Spielen teilnehmen, bis auf die Profis. Es geht nicht darum, besonders elitär zu sein, oder allen zeigen zu wollen: Ich kann es mir leisten. Es muss auch nicht das Teuerste sein, es geht rein um die Motivation. Und genau das finde ich komplett legitim, denn: Damit unterscheidet man sich von vielen, die kaum etwas für ihre Gesundheit tun! Ist es nicht besser, viel Geld in die eigenen Gesundheit zu investieren, als auf der Couch immer fülliger zu werden? Ist es nicht sinnvoller, lieber an anderer Stelle zu sparen? Ich finde, jeder Euro den man in den eigenen Körper steckt, ist gut investiert. Nicht nur für einen selbst, sondern sogar für die Gesellschaft. Die Wahrheit ist leider, dass Deutschland immer dicker wird. Unser Gesundheitssystem ächzt auch unter zu vielen Kilos. Deshalb: Verachten wir, belächeln wir nicht die Equipment-Fetischisten! Lassen wir sie bitte laufen!