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Übertraining ist nicht die Lösung!

Ambitionierte Ziele sind gut, findet unser Kolumnist. Aber: Die Dosis macht das Gift. Und deshalb hat er ein paar wichtige Hinweise für alle, die den Sport vielleicht etwas zu ernst nehmen. 

Läufer steht unter freiem Himmel und stützt sich mit Händen auf den Knien ab.
© jcomp / Freepik

Die Teilnehmerzahlen an Halbmarathon und Marathon-Events steigen weiter. Immer mehr Menschen suchen die Herausforderung und definieren sich über Durchhaltevermögen. Viele Manager zu Beispiel, laufen seit vielen Jahren Marathon oder gar Ultra Marathon. Für sie sind diese Distanzen der Beweis dafür, besonders zielstrebig, diszipliniert und mit viel Ausdauer ausgestattet zu sein. Alles Attribute, die auch für ihren Job wichtig sind. So glauben sie, dass sie dieser Sport im Alltag stärker macht. Eine steile These, die meiner Meinung nach nicht unbedingt dazu beträgt, gesünder durchs Leben zu kommen. Denn diese Lebenseinstellung sorgt bei manchem auch für einen großen Druck. Und ich frage mich: Ist es gut Sport zu treiben, um sich noch mehr Druck zu machen? Warum nur brauchen Menschen die tägliche Challenge mit sich selbst? 



Keine Frage der Haltung

Ich kenne inzwischen immer mehr Menschen, die sich beinahe durch das Laufen komplett definieren. Und sogar ihr ganzes Leben danach ausrichten. Gerade erfolgreiche Manager, die per se wenig Zeit haben, schneiden sich gleich zwei Trainingseinheiten pro Tag aus den Rippen. Vor allen Dingen dann, wenn sie sich auf den nächsten Wettbewerb vorbereiten. Leider ist es auch so, dass es viele erst gar nicht an die Ziellinie schaffen, weil sie sich vorher verletzt haben. Übertraining ist sehr oft die Ursache. Ja, man kann zu viel trainieren. Und ja, der Körper braucht seine Ruhephasen. Für die Vielläufer ist der Sport eine Art Haltung geworden, teilweise sprechen sie sogar von ihrer Religion. Das sind Aussagen, die ich wirklich gefährlich finde, die ungesund sind. Es liegt der Verdacht nahe, dass da etwas kompensiert werden muss, was nicht mehr im grünen Bereich liegt. Ich meine das gar nicht böse, ich kenne selbst die Situation gut genug. Auch ich habe mir für vier Uhr den Wecker gestellt, um noch vor dem Flieger um sieben Uhr eine große Runde laufen gehen zu können. Und auch ich bin an solchen Tagen am Abend auch nochmal einen Zehner gelaufen, um angeblich den Kopf frei zu bekommen. Gerade nach einem harten Tag. Und auch ich kann davon reden, in ein Übertraining gelaufen zu sein.

Ermüdungsbrüche und andere Verletzungen

Vor einigen Jahren dachte ich in meiner Unachtsamkeit, dass es eine super Idee ist zwei Wochen nach einer Meniskus Operation wieder ins Lauftraining einzusteigen. Damit es nicht zu anstrengend wurde, entschied ich mich für zwei kurze Laufeinheiten pro Tag. Die Folge: Ein Ermüdungsbruch, der einige Wochen zum Ausheilen brauchte. Danach war ich dann ebenfalls im Kopf geheilt. Diese Art von Verletzung ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch ein wenig dumm. Eventuell auch einer Art Laufsucht geschuldet, von der ich inzwischen deutlich geheilt bin. Wir sind als Menschen natürlich zum Laufen gemacht, allerdings brauchen wir die Erholung. Wir müssen auf Regeneration des Körpers achten, wir werden ganz sicher nicht mit der Lauferei unseren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Neben Gelenken, Muskeln, Sehnen und auch dem Herz, leidet unser Körper auch psychisch deutlich unter dem Übertraining. Wenn im Zentrum des Laufens die Gesundheit steht, sollte ein Übertraining ausgeschlossen sein. 

Ene Frau fasst sich an den Rücken und hat Schmerzen.
Überbelastung kann schmerzhaft werden, beispielsweise im Rücken. © Pexels.com /

Sie werden langsamer

Übrigens: Nicht nur Verletzungen bremsen uns aus. Das Übertraining führt unweigerlich dazu, dass wir auf keinen Fall schnellere und bessere Zeiten bei Wettbewerben erreichen. Es hat immer zur Folge, dass der Körper eher schwächer wird. Zudem gewöhnt er sich an die Belastung, bekommt keine neuen Impulse, uns zieht sich in eine Art Wohlfühlzone zurück. Es geht nicht mehr weiter nach vorn, eher rückwärts. Und somit kann man deutlich sagen, dass das Übertraining genau das Gegenteil von dem auslöst, was der so ambitionierte Läufer eigentlich beabsichtigt hat. Sollten Sie merken, dass sie selbst in eine Art merkwürdige Laufsucht gelangen, suchen Sie sich unbedingt Hilfe. Damit ist nicht zu Spaßen. Die Gefahr besteht nicht nur darin, körperlichen Schaden zu erleiden. Es liegt die Vermutung nahe, dass Sie auch Ihrer Seele schaden. Das Laufen ist nicht dazu da, krank zu werden. Es soll uns dabei unterstützen, ein Leben lang gesund zu bleiben.

Porträt des IMTEST-Lauf-Experten Mike Kleiß

Mike Kleiß ist leidenschaftlicher Läufer, besonders Ultra-Marathons haben es ihm angetan. Er ist Experte für Fitness, Gesundheit, Ernährung und Mental Health. Täglich ist er mit seinen Hunden in der Natur, er ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN, und erfolgreicher Podcaster. Zusammen mit IMTEST-Chefredakteur Axel Telzerow ist er Host des beliebten Podcasts „Echte Vaddis“, bei IMTEST.de schreibt er jede Woche seine Kolumne „Gesünder Leben – endlich richtig fit!“