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Apple: Die neue Nachhaltigkeit von iPhone 15 und Apple Watch 9

Wie grün wird der iPhone-Hersteller wirklich?

Bild einer Apple Watch 9, mit Texteinblendungen davor, die Nachhaltigkeitsaspekte behandeln.
© Apple

Wer die Wonderlust-Präsentation von Apple am 12. September verfolgt hat, dem ist klar geworden, dass der Tech-Gigant mehr denn je auf Nachhaltigkeit und CO2-neutrale Geräte setzen will. Von den knapp 90 Minuten der Produkt-Präsentation widmete Apple mehr als fünf Minuten dem Clip „Apple 2030 – Mother Nature“ (der hier gesondert zu sehen ist), und dies an prominenter Stelle, früh in der Show. Auch darüber hinaus ging der Konzern an zahllosen Stellen auf Nachhaltigkeits-Aspekte von Apple Watch 9 und iPhone 15 ein, wies auf Material-Innovationen, die Verwendung von Öko-Strom, recycelte Wertstoffe oder die Vermeidung von Emissionen hin.



Natürlich tat man das auf die typische Apple-Art, mit schönen Videos untermalt und grandiosen Grafiken illustriert. Für den Zuseher funktioniert das, man möchte der Firma glauben, dass sie es ernst meint mit der Nachhaltigkeit. Dass diese vielen Maßnahmen mehr sind als ein Lippenbekenntnis, weil die Öffentlichkeit das von einem modernen Tech-Konzern erwartet. Gleichzeitig ist und bleibt Apple ein finanziell extrem erfolgreicher Player im Markt, eine Aktiengesellschaft, die auf Wachstum ausgelegt ist und neue Produkte verkaufen muss, um ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.

Und die natürlich nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigt, um technologische (und nachhaltige) Innovationen zu erzielen, sondern auch PR-Profis, die den Konzern in ein möglichst gutes Licht rücken sollen. Im schlimmsten Fall führt das zu Greenwashing, so dass beim Kunden ein grünes Image erzeugt wird, ohne das Firmen tatsächlich von ihrem altbekannten, umweltschädlichen Handeln abrücken. Das funktioniert z. B. über erfundene Gütesiegel, unscharfe Begriffe, fehlende Belege oder gar Falschaussagen.

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Apple wird nachhaltiger

Apple geht beim Thema Nachhaltigkeit nun in die Vollen: Auch im offiziellen Apple-Newsroom ist das spürbar, drehen sich zwei von sieben Presse-Mitteilungen zur Wonderlust-Veranstaltung um das Thema. Gleichzeitig muss man scrollen und suchen, um diese Themen auf der offiziellen Webseite der Firma zu finden. Viele neue Hightech-Produkte ziehen den Blick auf sich, erst ganz unten gibt es bei den „Apple Werten“ den Punkt „Nachhaltigkeit“. Dort wiederum kann man sich als interessierter Leser geradezu in dem Thema verlieren…

„TOLL, DASS APPLE SO UMFANGREICH ÜBER SEINE BEMÜHUNGEN ZUM THEMA NACHHALTIGKEIT INFORMIERT. KLAR IST ABER AUCH, DASS APPLE BESTIMMT, WELCHE PUNKTE ANGESPROCHEN UND WELCHE AUSGESPART WERDEN.“

Matthias SchmidIMTEST-Experte

Apple bietet dort ein über 110 Seiten langes PDF auf deutsch an, den „Fortschrittsbericht“ (für das Geschäftsjahr 2022). Dort werden zahllose Aspekte behandelt, von Wasserverbrauch über sauberen Strom bis hin zu Energieeffizienz oder Arbeitssicherheit. Zudem gibt viele weiterführende Dokumente, darunter „Product Environment Reports“ zu verschiedenen Apple-Geräten wie dem neuen iPhone 15 Pro sowie weitere Artikel von Toxikologie bis Demontage, von Verpackungsstrategie bis Klimawandel generell.

All das ist fraglos spannend, dennoch muss man sich als Kunde im Klaren sein, dass diese Dokumente von Apple selbst stammen. Es handelt sich dabei nicht um wissenschaftliche Studien von unabhängigen Instituten. Das muss nicht bedeuten, dass die darin enthaltenen Informationen nicht stimmen – klar ist aber, dass Apple bestimmt, was der Inhalt ist. Und dass man als Kunde keine Abhandlung darüber finden wird, warum Apple auf verklebte Komponenten setzt, anstatt wie der Konkurrent Fairphone (auf Kosten von Design und Handlichkeit) auf ein modulares System mit austauschbaren Einzelteilen zu bauen.

Bild eines iPhones von hinten, mit neuartiger Hülle aus Feingewebe.
Schluss mit Leder. Apple neues Material der Wahl heißt “Feingewebe”, daraus bestehen die neues Cases und Bänder. © Apple

Klimaneutrale Apple Watch 9?

Die beim Wonderlust-Event formulierten Nachhaltigkeits-Ziele hat IMTEST bereits an anderer Stelle zusammengefasst. Zum Beispiel will Apple bis zum Jahr 2030 nicht nur selbst klimaneutral sein, sondern ermutigt auch seine Partner und Zulieferer: “Mehr als 300 Hersteller haben sich verpflichtet, bis 2030 für Ihre Produktion für Apple 100% saubere Energie zu verwenden. Neue Zusagen von mehr als 50 Zulieferern in den USA, in Europa und Asien haben das jüngste Wachstum des Apple Supplier Clean Energy Programms vorangetrieben, dessen Zulieferer mittlerweile über 90% des Produktionsaufwands von Apple repräsentieren.”



Apple kündigt an, beim Transport seiner Produkte noch weniger auf Luftfracht zu setzen, verbannt Leder aus seinen Produkten und strickt das Band der Apple Watch 9 aus “Feingewebe” (englisch: Finewoven), einem „robusten Mikrotwill, der zu 68 Prozent aus Material besteht, das durch Post-Consumer-Recycling gewonnen worden ist”. Man betont, dass bei der Herstellung der Apple Watch 9 ausschließlich Strom aus erneuerbarer Energie eingesetzt wird und gibt an, dass man die Apple Watch Series 9 bereits „CO2-neutral gemacht habe“. Alle anderen Produkte des Konzerns sollen dieses Ziel bis zum Jahr 2030 ebenfalls erreichen.

Bild eines Apple-Watch-Displays mit der Energy-App.
Grid Forecast heißt ein neues Tool auf Apple-Geräten. Es weist die Nutzerinnen und Nutzer darauf hin, wann im Stromnetz im Tagesverlauf eine vergleichsweise sauberere Energiequelle verfügbar ist. © Apple

Gute Quoten sind nicht alles

Abermals: Das klingt großartig für bereits bestehende und mögliche neue Apple-Fans. Aber weil Webseiten ähnlich geduldig sind wie Papier, stellt dies noch lange keinen Beweis dar, dass Apple es ernst meint mit dem Kampf gegen wachsende Berge von Elektroschrott und dem Einsatz für höhere Recylingquoten. Dass man das Ende eines Produkts schon bei der Entwicklung mitdenkt und sich aktiv einsetzt gegen die Gefahr der Dissipation (deutsch: Zerstreuung) von Elementen, die in sehr geringen Mengen in jedem Smartphone enthalten sind. 100 % recyceltes Zinn beim Lötmittel oder 100% recyceltes Kobalt im Akku – natürlich klingt das gut. Aber woher stammen diese wiederverwendeten Stoffe konkret? Und welche Recyclingquote möchte Apple anschließend für das Kobalt in eigenen Akkus erzielen? Zudem wäre die Frage nach der Herkunft von Hochtechnologiemetallen wie Indium und Tantal oder den sogenannten Seltenen Erden interessant.

Screenshot der Apple-iPhone Plattform Trade In, wo man Geräte tauschen kann.
Apple bietet die Plattform Trade In an, dort erhält man beim Kaufen von neuen iPhones Gutschriften für seine alten Telefone. © Apple

Auch dürfte Apple – meint man es mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst – sein lobenswertes Trade-In-Programm (das Eintauschen alter Geräte beim Kauf von neuen) ruhig offensiver positionieren. Auch hier muss man an vielen wunderschönen neuen Smartphones, Notebooks und Uhren vorbeiscrollen, bevor man an Infos gelangt. Hier stellen sich Mitbewerber wie Fairphone oder Shift anders auf. Auf deren Webseiten stehen Informationen zur Herstellung, zum CO2-Fußabdruck, zu Lieferketten & Co. fast gleichwertig mit der Präsentation neuer Geräte.



Und was lernt man daraus?

Natürlich stammen die Infos auch hier von den Firmen selbst und werden mit professionellen Fotos in Szene gesetzt – gleichzeitig hat man als Verbraucher aber das Gefühl, dass die propagierte Nachhaltigkeit hier mehr im Fokus steht. Ist aber auch kein Wunder, schließlich ist dies ja der „unique selling point“ dieser meist kleinen Marktteilnehmer. Dass daraus aber durchaus gelungene Technik-Gadgets erwachsen können, bewies unlängst das Fairphone 5 im Test.

Was bedeuten nun all diese Informationen, die zu durchdringen und verarbeiten eine Wissenschaft für sich ist? Wie sollte man sich als Konsument konkret positionieren und verhalten? Ein Appell pro oder contra Apple käme derzeit verfrüht, Veränderungen brauchen Zeit – Apple kann und sollte durch ein Festhalten an diesen Themen und durch mehr Transparenz beweisen, dass man es ernst meint mit der Nachhaltigkeit. Schwierig oder gar unlösbar wird mittelfristig aber immer sein, dass jedes verkaufte iPhone – mag der Strom im Werk auch noch so grün oder das Kobalt in der Batterie noch so recycelt sein – schlechter für Klima und Umwelt ist, als wenn man sich kein neues Smartphone bestellt.

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Portrait Matthias Schmid

Matthias Schmid wollte im Berufsleben "irgendwas mit Video- und Computerspielen" machen – deshalb studierte er nach dem Abitur Informatik, um selbst Spiele zu entwickeln. Nach dem Studium kam die 180-Grad-Wende: Matthias wechselte in die schreibende Zunft, absolvierte ein Volontariat bei einer renommierten Spiele-Fachzeitschrift und wurde 2004 Videospiel-Redakteur in Vollzeit. Damit lebt er seit nunmehr 19 Jahren seinen beruflichen Traum: Spiele testen und darüber schreiben. Diese Jobbeschreibung greift freilich zu kurz: Matthias hat Spiele-Magazine und -Webseiten mitkonzipiert, Fachmessen in aller Welt besucht und Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Er hat ebenso großen Spaß mit Action-Blockbustern wie mit kleinen Indie-Spielen und liebt es nachzuforschen, wer die Macher hinter den Spielen sind. Neben Video- und Computerspielen faszinieren ihn aktuelle Top-Smartphones und – als begeisterter Vogelbeobachter – alles, was mit Ferngläsern zu tun hat.