Wer in die faszinierende Welt der Gravelbikes einsteigen möchte und nun auf der Suche nach dem ersten Modell ist, wird ob der vielen Angebote sicher überfordert sein. Hersteller, Schaltgruppe, Bereifung, Anschraubpunkte – worauf kommt es wirklich an? IMTEST lässt in einem Duell die beiden Räder Prestige Generation 2 von Stevens und Grizl CF SL 6 AXS von Canyon gegeneinander antreten und beleuchtet jeweils die Vor- und Nachteile.
Die Testkandidaten im Kurz-Check
Diese beiden schicken Gravelbikes unterscheiden 500 Euro in der Anschaffung, dabei könnten sie bezüglich ihrer Ausstattung kaum unterschiedlicher sein. Während das Stevens einen Aluminiumrahmen samt -gabel mitbringt, setzt Canyon komplett auf Carbon. Das bringt dem Grizl insgesamt einen Gewichtsvorteil laut Hersteller von etwa 1,2 Kilogramm.
Des Weiteren hat Canyon sein Gravelbike mit einem kleinen Highlight ausgestattet, und zwar der elektronischen Gangschaltung Sram Apex XPLR AXS. Aber auch die hochwertige Shimano GRX-Schaltung von Stevens braucht sich dahinter nicht zu verstecken.
Stevens Prestige Gen. 2
- Rahmen: Aluminium mit Alu.-Gabel
- Schaltung: Shimano GRX 820/610 2x12fach
- Bremsen: Shimano hydraulische GRX Flatmount-Scheibenbremsen
- Gewicht laut Hersteller: 10,8 Kilogramm
- Weiteres: zwei Farben und sechs Rahmengrößen verfügbar
- Preis (UVP des Herstellers): 1.999 Euro
Canyon Grizl CF SL 6 AXS
- Rahmen: Carbon mit Carbon-Gabel
- Schaltung: Sram Apex XPLR AXS, 1×12
- Bremsen: Sram Apex, hydraulische Schreibenbremsen
- Gewicht laut Hersteller: 9,66 Kilogramm (Größe M)
- Weiteres: zwei Farben und sieben Rahmengrößen verfügbar
- Preis (UVP des Herstellers): 2.499 Euro
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So fährt sich das Gravelbike von Stevens
Das Gravelbike von Stevens kommt in einem schicken Blauton namens Silk Blue, kombiniert mit einer dunkelblauen Gabel und schwarzen Reifen. Es wirkt auf den ersten Blick sehr solide, was sich bei den ersten Metern durch ein gutes, stabiles und sicheres Fahrgefühl direkt widerspiegelt. Als Rahmenmaterial setzen die Hamburger voll auf Aluminium, was das Rad zwar auf der einen Seite etwas schwerer und träger macht als das Canyon, aber ihm auch eine gewisse Steifigkeit mitgibt. Fährt man längere Strecken auf gleichbleibendem Untergrund, erweist sich diese Eigenschaft als ebenso positiv wie in längeren Kurven. Auch auf ein ausreichendes Maß an Dämpfung muss der Fahrer nicht verzichten, die dicken Schwalbe G-One Bite-Reifen schlucken Unebenheiten gut weg.
Diese Eigenschaften laden insgesamt zu längeren Radreise statt quirligen Trails ein. Die GRX-Komponenten von Shimano, die speziell für Gravelbikes entwickelt wurden, stehen laut Hersteller für optimale Übersetzungsoptionen und hoher Robustheit. Bei den Testfahrten reagierte die Schaltung prompt und geschmeidig. Sie bot sowohl bei Bergauf- als auch bei Bergab-Fahrten eine gute Kraftübertragung. Dadurch, dass dem Fahrer 2×12 Gänge zur Verfügung stehen, findet man stets den richtigen Tritt, ohne einen Gang zu vermissen.
Die hydraulischen Scheibenbremsen von Shimano lassen sich gut dosieren und bieten einen eindeutigen, vorhersehbaren Druckpunkt, wobei der Fahrer wenig Kraft aufwenden muss.
Wer mit seinem Rad mehrtägige Touren machen möchte, findet sowohl an der Gabel als auch im und auf dem Rahmen mehrere Anschraubpunkte für zusätzliche Taschen oder Getränkehalter. Ebenso gibt es an den Heckstreben Schraubpunkte für einen Gepäckträger. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 130 Kilogramm.
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Mit dem Canyon auf Schotterwegen unterwegs
Das Gravelbike von Canyon erstrahlt in einem auffälligen Look. Die Farbe namens “Dried Tomato” regt direkt zu Diskussionen an, ob man sie schön findet oder nicht. Darüber hinaus hat Canyon sich für Mäntel mit braunem Rand entschieden, sodass das Rad insgesamt sehr trendig wirkt. Es fiel jedoch auf, dass der Lack sehr empfindlich ist und sehr schnell Kratzer bekommt, zudem sieht man sofort jeden Fingerabdruck.
Anders als Stevens setzt Canyon auf einen Rahmen und Gabel aus Carbon. Dadurch ist es nicht nur über einen Kilogramm leichter, sondern auch ein Stück weit agiler und weniger, vermittelt ein bisschen weniger Laufruhe. Enge Passagen, wechselnde Untergründe und Bergauf-Fahrten meistert es spielend, ebenso ist der Antritt spritzig, dass man sehr schnell in Fahrt kommt. Durch das Carbon und die dicken, griffigen Reifen kann es Unebenheiten gekonnt ausbügeln, was das Fahren sehr angenehm macht. Wie beim Prestige Generation 2 reagieren die Bremsen ohne großen Kraftaufwand durchaus zuverlässig, dass man sich auch auf steilen Trails sicher fühlen kann. Die Sitzhaltung ist sportlich, aber trotzdem halbwegs aufrecht, der Lenker griffig, allerdings ist der Sattel sehr unangenehm. Es empfiehlt sich bereits bei kurzen Touren eine gepolsterte Radhose zu tragen.
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Elektronisch schalten leicht gemacht
Ein Highlight ist die elektronische Schaltung Sram Apex XPLR AXS mit 12 Gängen, die unglaublich präzise und schnell schaltet. Wer zuvor noch nie mit dieser Schaltung gefahren ist, muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass man auf der rechten Lenkerseite hoch- und auf der linken Lenkerseite herunterschaltet. Durch längeres Drücken schaltet die Sram auch mehrere Gänge in Sekundenschnelle. Ein “Verschalten” ist mit dieser Schaltung kaum möglich, in einigen Situationen mag man allerdings zwischen den Gängen eine noch feinere Abstufung vermissen, wobei das auch eine Gewöhnungssache ist. Übrigens bietet Sram für seine Apex XPLR AXS eine App an, mit der man verschiedene Einstellung vornehmen kann und den Überblick über den Akkustand behält. Ist dieser leer, kann man die entsprechende Komponente einfach heraus klicken und aufladen.
Auch das Grizl macht Lust auf Abenteuerreisen. Daher bringt es ebenso wie das Stevens eine Vielzahl an Anschraubpunkte für Zusatzgepäck an der Gabel und am Rahmen mit, zum Lieferumfang gehören bereits zwei Trinkflaschenhalter samt Flasche. Extra Punkte zur Montage eines Gepäckträgers fehlen jedoch. Wer trotzdem nicht auf einen verzichten möchte, findet unter den vielen verfügbaren Modellen auf dem Markt auch einen, bei dem man diese speziellen Bohrungen nicht benötigt. Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 120 Kilogramm ist es nicht ganz so belastbar wie sein Konkurrent.
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Vor- und Nachteile beider Gravelbikes im Kurzüberblick
- Sitzhaltung: Eine sportliche, aber dennoch bequeme Sitzhaltung bieten beide Gravelbikes gleichermaßen. Die Lenker sind angenehm griffig, lediglich der Sattel beim Canyon ist recht hart und schmerzt schnell.
- Fahrverhalten: Während das Stevens ein solides, stabiles Langstreckenrad mit hoher Laufruhe ist, gibt sich das Canyon etwas quirrliger und weniger, und findet sich auch auf anspruchsvolleren Trails gut zurecht.
- Gewicht: Das Canyon ist etwa ein Kilogramm leichter, was sich an Hängen positiv bemerkbar macht. Dafür bringt das Stevens zehn Kilogramm mehr an zulässigem Gesamtgewicht mit. Dieser Punkt ist für Bikepacking-Fans sehr relevant.
- Schaltung: Die elektronische Schaltung von Sram bietet einen sehr hohen Komfort, wenngleich auch die Shimano-Schaltung sehr präzise und prompt schaltet. Von der Handhabung ist die Sram etwas einfacher, dafür braucht man bei der Shimano nie befürchten, dass der Akku mal leer ist. 2×12 Gänge (Shimano) bieten, je nach eigenen Fahr-Anforderungen, eine etwas feinere Abstimmung der Gänge. Das macht sie allerdings auch etwas wartungsintensiver.
- Reise: Beide haben am Rahmen und an der Gabel Anschraubpunkte für Gepäck, das Stevens bietet am Heck zusätzliche Punkte für einen Gepäckträger.
- Preis-Leisung: Keine Frage, beide Räder bringen eine hochwertige Ausstattung mit, dass man mit beiden sicher sehr lange Freude haben wird. Durch den Carbonrahmen und die elektronische Schaltung ist das Grizl zwar 500 Euro teurer, was aber durchaus gerechtfertigt ist und insgesamt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis widerspiegelt. Vergleicht man das Prestige mit anderen Gravelbikes mit ähnlicher Ausstattung, variieren die Preise etwa zwischen 1.700 bis 2.000 Euro, dass es eher zu den teureren Modellen zählt.