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Palworld im Praxis-Test: Mehr als nur ein Pokémon-Klon?

Was kann der Steam-Überraschungshit wirklich?

Titelbild des Videospiels Palworld
© PocketPair

Das Survival-Abenteuer Palworld dominiert derzeit die Spiele-Schlagzeilen. Rekordspielerzahlen auf der wichtigsten, digitalen Verkaufsplattform Steam, sieben Millionen verkaufte Einheiten nach nur fünf Tagen – und das alles für ein relativ kleines Independent-Projekt, das zunächst nur als Testversion im Early Access verfügbar ist. Zum Vergleich: Die übrigen Spiele der Entwickler von Pocketpair Inc., u.a. Craftopia oder Overdungeon, blieben weitestgehend unter dem Radar. Und das liegt vor allem an einem Umstand: Auf den ersten Blick ist Palworld wie Pokémon – mit Schusswaffen. IMTEST geht dem Hype auf den Grund.

Palworld

  • PC, Xbox Series X
  • 28,99 Euro
  • >50 Stunden
  • Ab 12 Jahren
  • Min. 40GB (PC)
  • Action-Rollenspiel, Survival

Palworld: Survival of the cutest

Die grundlegende Formel, die Pocketpair Inc. mit Palworld in Spielform gegossen hat, ist bereits ein Rezept für Erfolg. Im Kern ist der Titel nämlich ein klassisches Survival-Spiel, ähnlich wie Minecraft, Conan Exiles, ARK: Survival Evolved oder das jüngst veröffentliche LEGO Fortnite. Der Spieler erstellt einen knuffigen Anime-Charakter und muss sich aus der Schulterperspektive in einer knallbunten, offenen Spielwelt zunächst um die typischen Survival-Basics kümmern. So wird zunächst Holz gesammelt, Stein abgebaut, Feuer entfacht und eine kleine Behausung zusammengezimmert.

Screenshot aus dem Spiel Palworld.
Fang sie dir alle: Die Pal-Sphären geben eine gut ablesbare Fang-Wahrscheinlichkeit an. © IMTEST / Pocketpair

So weit so üblich – wären da nicht die süßen Mini-Monster die überall in der offenen Welt umherstreifen. Diese, hier “Pals” (englischer Slang für “Kumpel”) genannten Viecher sind, genau wie bei Nintendos erfolgreichen Pokémon, die Tiere dieser Welt. Jeder der knuffigen Bewohner besitzt spezielle Fertigkeiten, Vor- und Nachteile, die sich verschiedenen Elementen zuordnen lassen. So kann das kleine Pinguin-Monster etwa Wasser verspritzen, während der Mini-Feuerfuchs Flammenbälle verschießt. Analog zu den Hit-Rollenspielen von Gamefreak kann der Spieler die Tierchen mit sogenannten “Pal Sphären” einfangen. Dann werden sie Teil seines Teams – und seines Survival-Lagers. Entsprechend wichtig sind die kleinen Kämpfer. Fast jede komplexere Spielmechanik dreht sich um die Comic-Monster, die der Spieler verhätscheln und umsorgen muss, damit sie ihr volles Potenzial entfalten. Jedes der Tierchen hat Gemütszustände von fröhlich bis gestresst, wird müde und braucht Liebe in Form von Streicheleinheiten, um gerne im Lager zu schuften.

Zwischen Hommage und Parodie

Diese Spielgrundlange funktioniert mitunter hervorragend. Denn die Pals arbeiten für ihren Lebensunterhalt. Je nach Stufe des zentralen Lager-Computers können unterschiedlich viele Mini-Monster im eigenen Bereich umherstreifen und für sie passende Aufgaben übernehmen. Diese erstrecken sich von der einfachen Ressourcenbeschaffung bis hin zur Veredelung von Rohstoffen am Lagerfeuer oder der Werkbank. Im Gegenzug brauchen die Begleiter einen Schlafplatz und genug Nahrung – die können sie aber früh im Spiel selbst produzieren. Das Konzept macht Spaß, da der repetitive Survival-Aspekt so schnell automatisiert und abgefedert wird. Natürlich müssen auch die Pal-Sphären hergestellt werden, die es in unterschiedlichen Qualitätsstufen für unterschiedliche Starke Mini-Monster und Riesen-Viecher gibt.

Screenshot aus dem Spiel Palworld. In der Mitte ist ein großes, elefantenähnliches Tier mit grünem Bewuchs zu sehen.
Große Viecher: Für dieses Mammorest braucht man ein höheres Level – und starke Pals. © IMTEST / Pocketpair

Im Ton ist Palworld dabei eine Mischung aus Hommage und Satire. Genau wie beim Vorbild Pokémon müssen die Tierchen nämlich auf ein Minimum an Lebensenergie reduziert werden, um sicher gefangen werden zu können. Anders als bei Nintendo hetzt man hier aber sein Team nicht rundenbasiert auf die Welt-Bewohner. Stattdessen kämpft man in Echtzeit – und zwar zunächst Spieler gegen Pal. Zunächst mit Fäusten, später mit Speer, Bogen, Muskete oder Sturmgewehr. Denn tatsächlich beantwortet Pocketpait Inc. die seit der ersten Pokémon-Generation gestellten Frage: Was wäre eigentlich, wenn Team Rocket Knarren hätte? Und die Antwort ist gleichzeitig fies wie spaßig. Denn tatsächlich lohnt es sich, die knuffigen Pals wie Tiere in anderen Spielen für ihre Ressourcen zu jagen. Zudem müssen viel mehr Monster des gleichen Typs eingesperrt werden, da dies der effizienteste Weg für schnelle Erfahrungspunkte ist.



Harte Kämpfe, viel Technologie

Schön ist, wie viel Inhalt schon zum Early-Access-Start in Palworld steckt. Schon in den ersten Stunden gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Tierchen, von der pinken Katze über knuffige Schäfchen bis hin zum ersten Bossmonster im Elektro-Look. Es gibt viel zu sammeln und zu craften – von Spieler-Rüstungen und -Bewaffnung bis zum Reitsattel für das gezähmte Pal-Alpaka, das damit dann auf Tastendruck auch direkt gesteuert werden kann. Das ist schön, zumal die Upgrades im Technologiebaum vom Level-Up der Spielfigur abhängen, dabei aber mit fast jeder Aktion Erfahrung für den Spieler und sein Team herausspringt.

Die Lager-Übersicht im Screenshot des Spiels Palworld.
Arbeits-Zuteilung: In der Pal-Übersicht im Lagercomputer können Pals dem eigenen Team oder der Arbeit im Camp zugeteilt werden. © IMTEST / Pocketpair

Die Kämpfe werden dabei mitunter schon früh recht anspruchsvoll. Man kann jederzeit fünf Pals mitführen, die wie im großen Vorbild per Tastendruck aufs Schlachtfeld beordert werden können. Jeder Pal hat seine eigene Palette an Elementar-Angriffen, die automatisch abgefeuert werden. Pro Level-Aufstieg erlangen die Begleiter neue Fähigkeiten, die sie neben einer generellen Wertesteigerung im Gefecht effzienter machen. Zusätzlich können mit Kreatur-Ausrüstung auch mehr Pals an Kämpfen teilnehmen, etwa wenn man das Halsband für das ätherische Daedream herstellt. Schon der erste Bossfight gegen das “Syndikat” erfordert viel Vorbereitung und auch Level-Grind. Diesem wird aber über kleine Zwischenaufgaben und Erfahrungs-Boni vorgebeugt, sodass der Spieler schnell in der Stufe aufsteigen kann.

Palworld: Ordentliche Technik mit Schwächen im Detail

Auch bei der Technik macht Palworld eine ordentliche Figur. Die Entwickler setzen auf die Unreal Engine, was für ordentliche Umgebungs-Qualität, Beleuchtung und Weitsicht sorgt. Trotzdem wirken die Comic-Monster manchmal etwas zu grob modelliert, zudem stimmen die Bewegungsanimationen zum Teil nicht zum Gelände. Hier wäre etwas mehr Liebe zum Detail wichtig, um die süßen Pals angemessen in die bunte, aber recht realistisch gehaltene Umgebung zu integrieren. Gleiches gilt für den Spieler-Charakter, der mehr Details bei Material, Haut oder Animationsset vertragen könnte.

Screenshot aus dem Spiel Palworld. Ein Bosswird mit Namen und Bild vorgestellt. Der weibliche Gegner reitet auf einem großen, gelben, Mausähnlichen Monster.
Boss-Zeit: Endgegner werden stilsicher vorgestellt. © IMTEST / Pocketpair

Schön ist, dass sich Pocketpair beim Bewegungs-Repertoire der Spielfiguren an Titeln wie The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom orientiert. Das bedeutet, dass man an fast jeder Oberfläche frei klettern kann, solange der Ausdauer-Balken hält. Dazu gibt es einen früh freischaltbaren Gleiter, der kurze Flüge von hohen Klippen ermöglicht. Cool ist außerdem der Umstand, dass Palworld als Multiplayer-Spiel angelegt ist. Die eigene Welt, die als Einzelspieler-Umgebung begonnen wird, kann für Freunde freigegeben werden – oder man startet direkt in einer Mehrspieler-Umgebung und erkundet und fängt sich zusammen durch die Welt voller Pals.

Nicht ganz ohne Kontroverse

So herzig die Hommage, unterhaltsam die Satire und witzig der “Pokémon mit Knarren”-Spielansatz auch ist, so umstritten ist Palworld auch. Die Design-Nähe vieler Pals zu ihren Pokémon-Verwandten rief zuletzt auch die Pokémon Company auf den Plan. Der Rechteinhaber kündigte an, jedes Design seiner eigenen Monster zu schützen – wobei direkte Plagiate zumindest zum Spielstart nicht erkennbar waren.

Gleichzeitig wurde Pocketpair vorgeworfen, beim Design ihrer Comic-Tiere auf KI zurückgegriffen zu haben. Dies erzeugte vor allem in den sozialen Netzwerken viel Kritik, da einerseits rechtlich noch nicht gesichert ist, was in diesem Zusammenhang als Plagiat gilt und was nicht -–erst recht, wenn die KI zum Lernen mit Pokémon-Bildern gefüttert wurde. Zusätzlich wurde der Vorwurf laut, dass mit dem Einsatz von KI auch die Arbeit menschlicher Künstler geringgeschätzt würde. Steam verlangt von Entwicklern, die Nutzung von KI in der Entwicklung auf der Plattform offenzulegen – Palworld ist allerdings nicht mit diesem Vermerk versehen. Harte Belege für die Nutzung von KI gibt es derzeit nicht. Allerdings haben die Entwickler zuvor ein Spiel namens AI – Art Imposter veröffentlicht, das sich um automatische Bild-Generierung dreht.

IMTEST-Einschätzung

Palworld ist ein unterhaltsames und erstaunlich ausgereiftes Survival-Abenteuer mit dem Fokus auf seinen süßen Comic-Tierchen. Das Konzept des “Pokémon mit Knarren” geht schnell auf. Die gut miteinander verzahnten Survival- und Management-Elemente sorgen für einen angenehmen Spielfluss, der von intensiven Kämpfen mit großen Monstern und Bossen auftrumpft. Technisch ist Palworld solide, könnte im Detail aber noch etwas mehr Liebe vertragen, gerade was die knuffigen Begleiter angeht. Dank großem Umfang, freiem Bauen und Mehrspieler-Funktionalität, dürfte Palworld ein ähnlicher Dauerbrenner wie Ark: Survival Evolved werden – falls nicht eine Klage von Gamefreak doch unlauteres Spiel zutagefördert.

  • PRO
    • Witzige Pokémon-Satire, süße Comic-Tierchen, guter Umfang, schöne Mischung aus Kampf, Management und Survival.
  • KONTRA
    • Technik im Detail etwas schwach, leicht repetitive Ressourcen-Sammelei, manchmal etwas unübersichtlich.

Portraitfoto des IMTEST-Redakteurs Eike Cramer

Eike ist Spiele- und Hardware-Redakteur aus Leidenschaft: Nach seinem abgeschlossenen Studium der Politikwissenschaft zog es ihn direkt zur Spieleredaktion 4players.de in Hamburg, bei der er zwischen 2013 und 2023, mit einem zweijährigen Zwischenstopp beim Musikmagazin Metal Hammer, als Redakteur und Video-Redakteur beschäftigt war. Eike ist dabei ein echter Alleszocker, der, egal ob Indie oder AAA-Blockbuster, auf PC und Konsole zwischen Strategie, Action-Adventure, Rollenspiel und Shooter kaum ein Genre auslässt. Derzeit ist er als freier Autor aktiv.