Aufleveln? Ja, aber nur ein bisschen
Das Beste an Mirage sind die teils weitläufigen Infiltrations- und Assassinen-Missionen. Vor allem, wenn man nach rund zehn Stunden Basims Gadgets ein bisschen aufgebessert hat. Seine Messer fliegen weiter oder durchdringen Rüstungen, Pfeile aus seinem Blasrohr machen nicht nur müde, sondern tot. Auch Basims Mehrfach-Kill-Manöver wird stärker. Das geht so: Hat man ein paar erfolgreiche Stealth-Kills absolviert, füllt sich eine kleine Leiste am unteren Rand. Ein langer Druck auf den rechten Stick friert nun die Zeit ein und als Spieler kann man mehrere Wachen markieren. Dann noch einmal die X-Taste betätigen und der Assassine saust wie ein Blitz von einem Gegner zum nächsten. So können auch größere Feindgruppen erlegt werden, ohne dass Basim auffliegt.
Nach einer größeren Mission ist Basims Gesucht-Status übrigens meist tief im roten Bereich – dann ist Schluss mit dem unbeschwerten Herumschlendern in Bagdad. Nun muss man ein paar Fahndungs-Plakate abreißen, die zum Glück auf dem Radar markiert sind, oder einen Marktschreier bestechen. Beides kennen Assassin’s-Creed-Veteranen natürlich schon.
Basims Fähigkeiten-Baum
Abseits der aufrüstbaren Gadgets hat Basim einen eigenen kleinen Fähigkeiten-Baum, wo man ihn tödlicher oder athletischer macht und sogar den Adler auflevelt – der kann dann Feinde aus der Luft scheller erkennen und markieren. Basim selbst kann sich bald bei Stürzen abrollen, Feinde beim Stealth-Kill automatisch looten oder mehr Heiltränke tragen. So weit, so unspektakulär. Auch Basims Inventar und die Upgrades für seine Waffen und Kleidung sind überschaubar. All das knabbert – im Vergleich zu Odyssey oder Valhalla –an der Langzeitmotivation, gleichzeitig kann Mirage auch durchspielen, wer sich vielleicht 25 und nicht gleich 80 Stunden Zeit nimmt. Alles ist ein Stück kleiner, fokussierter, weniger ausladend.
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Auch die Karte, früher oft mit Hunderten Items überladen, ist übersichtlich: Es gibt reichlich Aussichtstürme, ein paar Nebenmissionen, einige Schätze und Grabkammern und ein überschaubares Maß an Sammelkram. Man kann den Entwicklern vorwerfen, dass nichts Neues wagen, sondern einfach zu Bewährtem zurückgehen – gerade das dürfte einige Serienfans aber sehr glücklich machen.
Basim, Roshan & Co. – die neuen Assassinen
Pardon, natürlich „die Verborgenen“. Denn Assassin’s Creed Mirage inszeniert nicht offiziell den Kampf Assassinen gegen Templer, sondern nennt die Gruppe der maskierten Streiter für das Gute „die Verborgenen“. Sie setzen alles daran, den sogenannten „Orden“ – das Pendant zu den Templern – zu Fall zu bringen. So richtig warm mit Basim, seiner Lehrmeisterin Roshan und den anderen Verborgenen wird man im Verlauf des Abenteuers aber nicht, weder werden die Motive der Guten nachvollziehbar rübergebracht noch fiebert man emotional mit der Truppe mit.
Die meisten Gespräche sind eher kühl und abgeklärt, zumal auch die deutsche Synchro nicht gerade brilliert. Generell können die Gespräche in den Zwischensequenzen nicht mit dem Niveau aktueller AAA-Software mithalten; auch die kurzen Zeilen beim Besuch eines Händlers oder Schmieds wirken abgehakt und hölzern.
Die Technik von Assassin’s Creed Mirage
In grafischer Hinsicht ist diese Assassin’s-Creed-Episode überraschend unspektakulär. Schon schick, aber eben weit entfernt von einem Spider-Man 2 oder Horizon Forbidden West. Das heißt nicht, dass Bagdad nicht gut aussieht an vielen Stellen oder dass sich die Macher bei der Gestaltung der unterschiedlichen Stadtteile, der Moscheen und der Garnisonen nicht Mühe gegeben hätten, in puncto Textur-Qualität, Beleuchtung & Co. sahen sowohl Odyssey als auch Valhalla aber stellenweise besser aus.
Enttäuschend ist die Laufanimation von Basim, der PS5-Charakter bewegt sich weniger elegant durch die Gassen als sein PS4-Vor-Vor-Vor-Vor-Vorgänger Arno aus Assassin’s Creed Unity. In puncto Grafikmodus empfiehlt IMTEST übrigens die Performance-Variante mit höherer Bildrate. Spannend bleibt zudem die Frage, wie gut das Spiel auf dem iPhone 15 Pro aussehen wird – schließlich soll Assassin’s Creed Mirage Anfang 2024 ohne Abstriche auf das Power-Smartphone portiert werden.
Ein netter Fan-Service im Spielmenü ist ein spezieller Filter, der an den farblich entsättigten Look des ersten Serienteils erinnert; wirklich nutzen werden ihn freilich die wenigsten. Eine lobende Erwähung verdient die Wissensdatenbank, die allerlei Aspekte des täglichen Lebens, der Religion und der geschichtlichen Ereignisse im damaligen Bagdad beschreibt – in diesem kleine Ingame-Wikipedia schmökert man immer wieder gerne.
Fazit
Dieses Assassin’s Creed ist kein Meilenstein interaktiver Unterhaltung, kein Grafik-Fest und keine AAA-Budget-Bombe. Ist das schlimm? Aber nein! Wer nicht mit überhoher Erwartung an das Spiel herangeht, der erhält ein überaus kompetentes, spielerisch spaßiges Action-Adventure mit Schleich-Fokus. Das Ausspionieren der Feinde, das Ablenken und Abmurksen – all das fühlt sich klasse an und ermüdet auch nach 20 Spielstunden noch nicht. Bevor das passieren kann, ist das Abenteuer nämlich vorbei. Ja, das Team hatte wohl nicht den Mut, etwas Großes zu wagen, dem Amüsement tut dies aber zumeist keinen Abbruch. Alle Mechaniken greifen ineinander, dazu gibt es kein ausladendes Crafting und keine 100 Waffen. Tatsächlich enttäuschend sind das flache Action-Kampfsystem und die Assassinen-Riege und ihre Verbündeten selbst, viel zu selten fiebert man mit der Bande mit, zu wenig eindringlich wirkt ihr Streiten für das Gute.
- PRO
- sehr spaßige Stealth-Abschnitte, Karte nicht zu vollgemüllt, Bagdad als reizvoller Spielplatz mit Geschichte.
- KONTRA
- die Geschichte fesselt kaum, zu wenig coole Kostüme, das Umland der Metropole ist recht leer.
IMTEST Ergebnis:
gut 2,2