Mitte der 2000er hatte Ubisoft einen Lauf: Nach der Fertigstellung des PS2-Spiels Prince of Persia: The Sands of Time wollte dessen Kreativ-Chef Patrice Désilets der Serie eine neue Richtung geben, mit mehr akrobatischem Klettern in einer großen, offenen Spielwelt. Glücklicherweise fiel die Entwicklung von jenem Spiel, das zunächst Prince of Persia: Assassin heißen sollte, in eine Zeit des Aufbruchs: Mit der Xbox 360 und der PlayStation 3 standen die ersten Konsolen mit damals spektakulärer HD-Optik in den Startlöchern, und Ubisoft arbeitete an seiner potenten Grafik-Engine „AnvilNext“.
Übersicht
- PS5, PS4, Xbox Series X|S, Xbox One, PC
- Action-Adventure
- 49,99 Euro
- 20-30 Stunden (Story)
- ab 16 Jahren
- 32 GB (Konsole), 40 GB (PC)
2007 war es dann soweit: Assassin’s Creed, das in der Zeit des Dritten Kreuzzugs im sogenannten Heiligen Land spielt, verzückte die Spielergemeinde mit einem ungemein spannenden Setting, gut spielbaren Parkour-Einlagen und versetzte sie in die Rolle eines Meuchelmörders, der für das Gute kämpft. Der erste Teil sah spektakulär aus, hatte aber noch mit einer sehr biederen Missionsstruktur zu kämpfen. Wie praktisch, dass Ubisoft das Setting nicht einfach so ins Jahr 1191 verfrachtet hatte…
Denn die eigentliche Handlung spielte in der nahen Zukunft, im Jahr 2012, wo der Konzern Abstergo nach der Weltherrschaft greift. Der Kniff der Guten: Mit der sogenannten Animus-Maschine in den Verstand eines Menschen eintauchen und dort die Erlebnisse dessen Vorfahren nachspielen, um das Schicksal zu ändern. Im ersten Teil war das Altaïr Ibn-La’Ahad, in den folgenden Episoden Assassin’s Creed 2, Brotherhood und Revelations wurde der Italiener Ezio Auditore zum Helden, es ging ins nach Florenz, Rom, Venedig und später sogar Konstantinopel zur Zeit der Renaissance.
Assassin’s Creed-Spiele ohne Ende
Ubisofts Konzept war genial: Die Spielergemeinde konnte sich zwar nie so ganz mit Desmond, der Spielfigur in der Jetzt-Zeit anfreunden, dürstete aber nach den Abenteuern seiner Vorväter. Und nach den historisch relativ korrekt wiedergegebenen Epochen: Der Traum vom Zeitreisen wurde auf PS3 und Xbox 360 real, man konnte betörende Städte entdecken, historische Figuren treffen und natürlich ein Action-Abenteuer erleben, das schon ab Teil 2 weit mehr als nur eine Abfolge von Abmurks-Missionen war.
Nach weiteren Abenteuern in Nordamerika und der Karibik, in Paris und in London sowie diversen Experimenten (z. B. Kämpfe mit Piratenschiffen) krempelte Ubisoft die bewährte Formel um: Die Teile Origins (Ägypten), Odyssey (Griechenland) und Valhalla (Wikinger) wurden gigantisch groß, schraubten die Nähe zum Assassinen-Ordens spürbar zurück und machten auch das Klettern und Meucheln fast schon zur Nebensache. In diesen offenen Welten war man – aller Qualitäten zum Trotz – eher mit dem Plündern von Räuberlagern, der Schatz-Suche und dem Abarbeiten von Quest-Markierungen beschäftigt.
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Jetzt geht’s wieder richtig los
Nach einer für Assassin’s-Creed-Verhältnisse langen Pause – Valhalla erschien 2020 – hat Ubisoft nun wieder Großes mit der Marke vor: In den nächsten Monaten und Jahren erscheinen Spiele für Virtual Reality (Nexus VR), Mobil-Geräte (Jade) und natürlich für PC und Konsole. Es geht nach Japan (Codename: Red), ins Mittelalter (Codename: Hexe) und in ein Multiplayer-exklusives Abenteuer (Codename: Invictus). Doch all das ist noch Zukunftsmusik, jetzt steht die Back-to-the-Roots-Episode Assassin’s Creed Mirage in den Startlöchern. Am Donnerstag, dem 5. Oktober, erscheint das in Bagdad im Jahr 861 spielende Action-Adventure für PS4 und PS5, für Xbox One und Xbox Series X|S sowie für den PC. Überraschenderweise hat Ubisoft das Spiel im Midprice-Segment platziert, es kostet 50 Euro. IMTEST konnte die Assassinen-Welt von Mirage auf der PS5 bereits einige Tage vor der Veröffentlichung erkunden – hier kommt der Test.
Assassin’s Creed Mirage: Willkommen in Bagdad
Die Entwickler gehen nicht nur in puncto Spielablauf zurück zu den Wurzeln der Serie – dazu gleich mehr –, sondern rücken auch ihr Szenario nah an den ersten Teil heran. Held Basim erkundet zwar nicht Jerusalem oder Akkon, die Spielregion um Bagdad mit der pulsierenden Metropole als Dreh- und Angelpunkt des Abenteuers erinnert aber durchaus den ersten Teil. Serienkenner finden auch Anleihen vom Ägypten-Schauplatz von Assassin’s Creed Origins und aus Odyssey. Denn Basim kommt mit jeder Hauptmission dem Enttarnen einer Gruppe von Strippenziehern des sogenannten „Ordens“ einen Schritt näher – das erinnert an die Spielstruktur der Griechenland-Episode.
Im Kern fühlt sich dieses neue Assassin’s Creed aber wie eine Zeitreise an – und damit meint IMTEST nicht die ins Jahr 861. Vielmehr erinnert der Spielablauf an die ersten vier Assassin’s-Creed-Spiele. Man rennt, klettert oder schleicht durch großteils urbane Schauplätze, Basim kraxelt auf azurblau gefließte Kuppeln, infiltiert die Paläste des abbasidischen Herrschergeschlechts und reitet schon mal auf dem Dromedar zu einer nahegelegenen Oase.
Das fühlt sich nie langweilig, aber vielfach doch bekannt an. Von kleinen Pannen bei der Richtungssuche während des Kletterns, über die Untertauch-Optionen auf Bänken oder in Menschengruppen bis hin zu Basims altmodischer Überwachungsdrohne. Auf Knopfdruck schickt der Assassine seinen treuen Adler aus, damit der die Position der Wachen ausspäht – das ist Gold wert.
Assassin’s Creed Mirage ist ein Schleichspiel
Mirage dürfte das Muster aus Mission erhalten, hinlaufen, ausspionieren, schleichen und töten ruhig etwas mehr variieren – das ändert aber nichts daran, dass exakt dieses Grundgerüst super funktioniert. Es macht großen Spaß mit den doofen, vergesslichen Soldaten Katz und Maus zu spielen. Ein Pfiff lockt einzelne Feinde aus der Gruppe heraus, Basims Hilfsmittel wie Wurfmesser, Blasrohr oder Rauchbombe laden zum Experimentieren ein. Bei der Zahl der Feinde und deren Platzierung hat Ubisoft tolle Arbeit abgeliefert, Mirage ist kein Kinderspiel, aber niemals frustrierend. Dieser Spaß kommt aber nur auf, wenn man sich auf die Beschränktheit der Feind-Intelligenz einlässt. Wer ständig meckert, weil die Wachen oft doof sind, der wird mit Mirage nicht glücklich.
Gespeichert werden kann in den gut bewachten Gefahrenzonen übrigens nicht, wer entdeckt wird und im offenen Kampf mit den vielen Gegnern zu sterben droht, der sollte lieber kurz die Flucht antreten, wenn er nicht den Missionsfortschritt verlieren möchte. Das Action-Kampfsystem ist sehr überschaubar, rückt das Ausweichen und Parieren in den Fokus – die Fights gehen flott von der Hand, großen Spaß machen sie allerdings nicht. Immerhin sind die Schwertkämpfe keine Konter-Stakkato wie einst bei Ezio.
Wie Basim noch stärker und agiler wird, wie gelungen Story und Grafik sind und wie das finale IMTEST-Urteil ausfällt – all das wartet auf der nächsten Seite.