Nach 10 Jahren bringen die japanischen Entwickler von From Software die Kampfroboter auf die Bildschirme von PC und Konsolen zurück. Hat der Schönheitsschlaf der einst nur wenigen Spielern bekannten Marke Armored Core für die notwendige Frischzellenkur gesorgt? IMTEST hat rund 30 Stunden auf dem Planeten Rubicon die Waffen sprechen lassen.
Produktdetails
- PC, PS5, PS4, Xbox Series, Xbox One
- 69,90 Euro
- 30 – 100 Stunden
- Ab 12 Jahren
- 43 GB
- Actionspiel
Mech-Action als DNA
Lange bevor From Software sich mit Spielen wie “Dark Souls”, “Sekiro” oder zuletzt “Elden Ring” in den absoluten Entwickler-Olymp aufschwingen konnte, waren Titel, in denen haushohe Kampfroboter die Hauptrolle spielten, ein Markenzeichen der Japaner. Die Armored-Core-Reihe gibt es seit 1997. Mit kleinen Unterbrechungen erschienen zwischen den Jahren mehr als zehn Spiele, doch seit 2013 ruht das Thema. Doch das neue, durch den massiven Anstieg des weltweiten Bekanntheitsgrades und damit steigende Verkaufszahlen befeuerte Selbstbewusstsein der Entwickler, ließen genug Raum um Armored Core aus dem Tiefschlaf zu wecken, um einen brandneuen Titel zu veröffentlichen. Mit Armored Core VI – Fires of Rubicon wagt From Software jetzt einen neuen Anlauf. Mit so viel Erfahrung rund um krachende Explosionen, den Einsatz verschiedener Waffensysteme und eine glaubhafte und mitreißende Atmosphäre kann dann doch eigentlich nicht viel schiefgehen, oder?
Du bist nur eine Nummer
Der einst blühende Planet Rubicon im Zentrum eines weit entfernten Sonnensystems wurde von einer schrecklichen und allesvernichtenden Katastrophe heimgesucht. Das leicht entzündliche Mineral Coral, das sich wie ein gigantisches Wurzelsystem unter der Oberfläche befindet, hat nach einer gewaltigen Explosion alles Leben ausgelöscht. Kein Baum, kein Strauch und auch kein Tier hat das Ereignis überlebt. Nur noch verfallene, riesige unter- und oberirdische Fabrikanlagen zeugen von der einst extrem progressiven Population. Nun reissen sich viele Parteien um das noch verbliebene Coral und wollen den größten Batzen davon für ihre Zwecke beanspruchen. Pharma-Firmen, Waffenhändler, und mächtige Forschungszentren haben es auf das wertvolle Material abgesehen und wollen den größtmöglichen Anteil.
Dabei kommen in den meisten Fällen Söldner zum Einsatz. Die sollen im Cockpit riesiger und bis an die Zargen bewaffneter Kampfroboter die Ansprüche der uneinigen Parteien durchbringen. Und genau an dieser Stelle kommt der Spieler zum Einsatz. C4-621 ist der neueste Pilot, den Unterhändler Walter für seine Zwecke einsetzen will, um seine oppurtunistischen Handlungen voranzubringen. Die Rechnung ist hierbei sehr einfach, den ein Gewissen scheint Walter nicht zu kennen. Wer am meisten bezahlt, bekommt den Zuschlag und 621 muss sich in das Cockpit zwängen, um die geforderten Aufgaben zu erfüllen. Ob er dabei, wie schon seine zahlreichen Vorgänger, das Zeitliche segnet, spielt scheinbar keine Rolle. Hauptsache, der Job wird erfüllt und der Kunde überweist einen Batzen Credits.
Eine Garage als Geburtsort
Bevor es in den ersten und viele weitere Einsätze geht, hängt das Arbeitsgerät, eindrucksvoll von zwei riesigen Stahlklammern an den Schultern gehalten, in einer düsteren Garage. Mit einem Kampfgewicht von rund 270 Tonnen und einer Höhevon etwas über 30 Metern, wartet der Kampfroboter auf seinen Steuermann. Zuerst gilt es, Farben, Embleme und einen Namen zu wählen, um dem stählernen Koloss eine eigene Identität zu verleihen. Die bringt allerdings nichts, wenn das Ungetüm nicht auch bestens einstecken und austeilen kann. Zu diesem Zweck wird geschraubt – und zwar nicht zu knapp. Die dafür in Massen notwendigen Credits lassen sich durch den erfolgreichen Abschluss der verschiedenen Einsätze, die auf Wunsch auch im Nachklapp zur Aufbesserung des Kontos zu wiederholen sind, verdienen. Der Spielfortschritt bestimmt auch, ob im Shop neue Waffen- und Verteidungssysteme warten, doch schon zu Beginn ist die Auswahl groß.
Am rechten und linken Arm finden Gewehre, Pistolen, Raketen-, Granatwerfer oder ein Laserschwert für verheerende Nahkampf-Angriffe Platz. Auf den Schulterblättern verweilen Abschussrampen für Raketen, große Lasergeschütze oder ausklappbare Schilde in unterschiedlichen Größen und Gewichtsklassen. “Gewicht” ist hierbei das Zauberwort. Denn trotz tonnenschwerer Bewaffnung muss der Mech zu zwei Dingen besser oder schlechter in der Lage sein. Sonst wird jede Auseinandersetzung zum ungleichen Kampf.
Düsen im Sauseschritt
Ein Kampfroboter in Armored Core ist zwar von Haus aus bereits groß und schwer, aber noch zu recht akrobatischen Manövern fähig – solange es die durch das Gewicht bestimmte Energiemenge zulässt. Dann schießt sich der Robo-Ritter meterhoch in die Luft und kann per aktiviertem Vorwärtschub ein paar Sekunden im Affenzahn zum Ziel düsen. Das ist notwendig, denn die Spielumgebungen strotzen nur so von Hindernissen, die in der Vertikalen zu überwinden sind. Ist die dafür vorhandene Energie leer, geht es zurück auf den Boden der Tatsachen. Hier lädt sich der Energiebalken wieder auf. Es gilt: Desto schlanker der Mech, desto schneller geht das vonstatten. Sollen es mal keine Luftsprünge sein, dient der Boost zum schnellen Ausweichen nach rechts oder links. Das ist von großem Vorteil, wenn man den gefährlichen Attacken der Gegner ausweichen muss. Doch das Kampfgewicht ist noch für einen weiteren, sehr wichtigen Aspekt von großer Bedeutung: das Taumeln.
Jeder Gegner und auch der eigene Roboter verfügt über eine gewisse Resilienz, was den Einschlag von Geschossen angeht. Bekommt die Maschine zu viele kleine, oder einen sehr schweren Treffer ab, geht für den Bruchteil einer Sekunde gar nichts mehr. Gelingt es, einen Gegner in diesen unliebsamen Zustand zu versetzen, folgen schwere Treffer, die besonders stark an der Lebensleiste zehren. Aber das gilt eben auch für den eigenen Roboter. Daher sollte auch hier beim Ausrüsten darauf geachtet werden, den perfekten Mix aus Panzerung, Beweglichkeit und Waffenstärke zu finden.
Willkommen in der Hölle
Die Einsätze, die Abwickler Walter im Angebot hat, sind zu Spielbeginn klar gegliedert. Im späteren Verlauf kann der Spieler selber entscheiden, für welche Fraktion er in die Bresche springt. In den meisten Fällen ist erst ein wenig Aufräumarbeit notwendig, bevor es gegen einen bildschirmfüllenden Endgegner, zu Felde geht. Also zuerst verschneite Fabrikanlagen von Stangenware-Mechanoiden befreien, relative zahme Hubschrauber wie Stubenfliegen aus dem Himmel fegen oder von Hochhaus zu Hochhaus hüpfen, um den dort platzierten Raketenstellungen den Tag zu vermiesen.
Die Einsätze werden schon im Vorfeld mit Bildern und kleinen Videos skizziert, es bleiben selten Fragen offen, bevor der eigene Kampfroboter per Überschall-Katapult zum Austragungsort geschossen wird. Die verschiedenen Umgebungen kommen, wie sollte es nach einer Katastrophe auch anders sein, trist und unwirtlich rüber. Der ausufernde Maßstab der teils gewaltigen Fabriken, Canyons oder Häuserschluchten bietet den perfekten Hintergrund für ohren- und augenbetäubende Explosionen, die im Sekundentakt den Bildschirm erhellen. Die hier herrschende Atmosphäre zu transportieren, ist den Entwicklern ganz hervorragend gelungen. Auch die schiere Anzahl an Missionen, die jeweils andere Ziele und Aktionen beinhalten, zeugt von der Kreativität und dem Erfindungsreichtum der erfahrenen Japaner von From Software.
Das Gamepad als Beissring
Die Scharmützel gegen kleinere und auch etwas größere Blechlawinen noch ein absoluter Spaßgarant, da der Spieler die Kampfkraft der tödlichen Maschine mit jedem Schuss spürt. Hier bekommt man das breite Grinsen kaum mehr aus dem Gesicht. Dieser Gemütszustand ist jedoch leider nur von kurzer Dauer. Denn From Software hat es sich nicht nehmen lassen, das hauseigene Markenzeichen, den stellenweise absurd hohen Schwierigkeitsgrad, auch im neuen Armored Core zu parken. Bereits der Endboss, der nach der ersten Übungs-Mission wartet, sorgt für ungläubiges Staunen. Etwas später platzierte Mittel- und Endbosse lassen hysterisches Gelächter am Gamepad ertönen. Und darauf folgend bleiben nur noch Schreie des Schmerzes und der puren Verzweiflung übrig. Das Balancing, also der sorgsam austarierte Anstieg des Schwierigkeitsgrades, der mit der Spieldauer und der daraus gewonnenen Erfahrung in Einklang gebracht werden sollte, ist bei Armored Core vollkommen von der Rolle.
Zudem ist es – anders als etwa in Elden Ring – nicht möglich, sich einen menschlichen oder CPU-gesteuerten Helfer an die Seite zu stellen. Mit 40 Versuchen und mehr für einen Endgegner, ist der Spieler noch gut bedient. Ein weiteres Problem keimt auf, wenn die Lust versiegt: Denn der Anlauf bis zum Ober-Robo kann schon einmal 30 Minuten und mehr in Anspruch nehmen. Wird das Spiel aufgrund des bedrohlich belasteten Geduldsfadens beendet, muss der gesamte Einsatz später komplett von vorne angegangen werden. Mühsam ist da als Beschreibung noch eine Untertreibung. Herausforderungen sind Fans dieses Entwicklers zwar gewohnt, was sich hier an Übertreibungen und Anforderungen aneinanderreiht, spottet allerdings jeder Beschreibung. Das hätte nicht sein müssen und raubt dem Titel eine große Menge seiner Faszination. Zudem werden alle Spieler ausgeschlossen, denen tausend Bildschirmtode zu viel des Guten sind. Schade!
Fazit
Im Kern hat From Software mit den neuen Teil von Armored Core alles richtig gemacht. Tolle und technisch einwandfreie Optik mit 60 Bildern pro Sekunde auf PS5 und Xbox Series, eine schier unüberschaubare Anzahl an verschiedenen Missionen, die von einer mysteriösen Geschichte getragen werden. Dazu eine riesige Auswahl an durchschlagenden Waffen- und Verteidigungssystemen, um den eigenen Kampfroboter immer weiter auf Vordermann zu bringen. So wächst dem Spieler der stählerne Koloss regelrecht ans Herz. Das bricht jedoch leider zu oft, denn die zahllosen Bildschirmtode, die beim Kampf gegen stellenweise deutlich zu schwere Bosskämpfe unausweichlich sind, nagen am Spielspaß und am Nervenkostüm gleichermaßen. Der Balance-Akt zwischen fordernd und unfair ist hier weit entfernt von einer wünschenswerten Ideallinie. So bleibt ein tolles Mech-Spiel, dass sich mit schlecht platzierten Rücksetzpunkten und einem deutlich zu hohen Schwierigkeitsgrad nur an die Spieler wendet, denen jedes andere Spieler der Japaner bisher viel zu einfach war. Viele dürften es nicht sein.
- PRO
- Tolle Optik, viel Auswahl und Abwechslung bei Missionen und Waffen, düstere und hoffnungslose Atmosphäre wird perfekt transportiert.
- KONTRA
- Rücksetzpunkte schlecht gewählt, kein eigenes Speichern möglich, extrem hoher Schwierigkeitsgrad bei Bosskämpfen.
IMTEST Ergebnis:
gut 2,4