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Alan Wake 2 im Test: Am PC ein Technik-Feuerwerk

Spielbarer Horror-Thriller – kreativ, klug, spannend.

Artwork des Videospiels Alan Wake 2.
© Remedy Entertainment

13 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Alan-Wake-Spiels veröffentlicht das renommierte Entwicklerstudio Remedy den zweiten Teil der Horror-Geschichte. Kann das gutgehen? Der Erstling wurde von Xbox-Fans für gut befunden und scharte eine Fangemeinde um sich, die auch das 2012er Spin-off American Nightmare verschlang. In die erste Horror-Liga aus Resident Evil, Silent Hill oder Dead Space schaffte es der geistreiche Mix aus Third-Person-Shooter und Psychothriller aber nicht.

Die Macher jedoch glauben an die Marke und geben dem tragischen Protagonisten, der selbst Horror-Schriftsteller und mit einer dunklen Begabung gesegnet ist, eine zweite Chance. Mehr noch: Alan Wake 2 ist das bisher aufwändigste und spektakulärste Spiel des Studios geworden, das zuletzt für Control bereits mit Kritikerlob überschüttet wurde. IMTEST hat die PS5-Version unter die Lupe genommen und verrät, warum kein erwachsener Videospiel-Fan mit einer Vorliebe für spannende Geschichten Alan Wake 2 verpassen darf.

Übersicht

  • PS5, Xbox Series, PC
  • 59,99 Euro
  • 20–30 Stunden
  • ab 18 Jahren
  • 86 GB
  • Action-Adventure

Update vom 29.11.2023: Path-Tracing und DLSS 3.5. – auf dem PC ist Alan Wake 2 ein Technik-Wunder

IMTEST hat Alan Wake 2 auch auf dem PC einem umfangreichen Leistungs-Check unterzogen. Dabei brilliert das neue Remedy-Abenteuer vor allem mit seinen umfangreichen Raytracing-Features.Dafür sollte vorzugsweise eine aktuelle Nvidia-Grafikkarte wie das Flaggschiff RTX 4090 im Gaming-Rechner stecken sollte. Das hat vor allem mit den neuen Funktionen von DLSS 3.5 zu tun.

Dies ist die neuste Version der “Deep Learning Super Sampling”-Technologie von Nvidia, die es ermöglicht, ein Spiel in einer niedrigeren Auflösung zu berechnen und dann per DLSS ohne große Qualitätsverluste an die jeweilige Ausgabe-Auflösung anzupassen. (z.B. 4k). Das spart Leistung und erhöht die Bildrate. Erst Recht mit der sogenannten “Frame Generation”, die Nvidia mit der 4000er-Serie und DLSS 3.0 einführte. Hier werden ganze (Zwischen-)Bilder auf der Grafikkarte berechnet, was eine Verdoppelung der Framerate nach sich ziehen kann.

Screenshot aus Alan Wake 2. Die Spielfigur steht in einem dunklen Raum neben einer Tischlampe.
Das geht nur mit DLSS: Die hier gemessenen 116 FPS wären ohne Super Sampling auch mit einer RTX 4090 nicht drin.

Mit DLSS 3.5 geht der Hardware-Hersteller einen Schritt weiter. So ist es jetzt möglich bei eingeschaltetem Raytracing “Ray Reconstruction” zu aktivieren. Diese Technologie nutzt von einer KI optierte Algorithmen, um die durch Raytracing erzeugten Reflektionen und Beleuchtungen zu entrauschen (“de-noising”). Nvidia verspricht durch diese Technologie ein klareres Bild. Die KI-optimierte Technik soll z.B. bestimmte Schattenwürfe schneller und genauer erkennen, analysieren und berechnen können, als händisch eingestellte Entrauscher.

Path-Tracing macht den Unterschied

Gleichzeitig ermöglicht Alan Wake 2 eine Licht- und Schattenberechnung, die sich vollständig auf Ray- und Pathtracing verlässt. Letzteres ist eine Variante der pixelgenauen Lichtverlaufs-Abfrage. Grob gesagt werden durch Wahrscheinlichkeitsmodelle insgesamt weniger Strahlen berechnet, dabei aber dennoch ein realistischeres Bild erzeugt, als durch die üblichen Shadow-Maps. Somit sind mehr Berechnungen möglich. In Remedys Horror-Abenteuer kann dabei die komplette Beleuchtung per Path- und Raytracing berechnet werden. Darunter fallen unter anderem direkte wie indirekte Lichtstrahlen, Reflektionen, und Schattenwürfe aller Art.

Screenshot aus Alan Wake 2.
Die Gaming-Zukunft? “Full Ray-Tracing” erzeugt richtig starke Lichtstimmungen. © IMTEST / Remedy

Das Ergebnis dieser leistungshungrigen Technlogie spricht Bände. Die atmosphärischen Wälder und Innenräume von Alan Wake 2 profitieren enorm von den punktgenauen Schatten und subtilen Reflektionen. Auch mehrfach gebrochenes Licht, etwa in Haaren, lässt Objekte und Figuren plastischer und realer wirken. Auch Räumlichkeiten überzeugen mit unheimlich realistischer Beleuchtung – darunter auch das Diner aus Kapitel 1.

Wunderschön und leistungshungrig

Im Detail sorgt vor allem die DLSS 3.5-Ray-Reconstruction für noch mehr Schärfe im Bild. Gespenstischer Nebel oder in den Himmel ragende Bäume werden zudem noch spektakulärer in Szene gesetzt. Auf diese Weise wird der Gesamteindruck in Außenbereichen noch beeindruckender.

Screenshot aus Alan Wake 2. Eine Person steht an einem Schreibtisch, der Raum ist düster beleuchtet, Licht fällt durch das Fenster rechts.
Atemberaubende Atmosphäre: realistische Beleuchtung und Schattenwürfe werten das Gesamtbild deutlich auf. © Remedy / IMTEST

Doch alle dieser Augenzucker hat auch seinen Preis. Selbst eine RTX 4090 erreicht ohne zugeschaltete Frame Generation bei 1440p kaum 80 Bilder pro Sekunde. Dies wird durch den Einsatz aller DLSS-Werkzeuge allerdings gelöst. Trotzdem ist der RTX-Vollwaschgang auf schwächeren Systemen nur schwer vorstellbar. Dennoch lässt Alan Wake 2 an einem High-End-PC einen kurzen Blick auf die technologische Spiele-Zukunft zu. Diese Qualität in der Kulisse dürfte der nächste Schritt sein – und der sieht fantastisch aus!

Original-Test:

Alan Wake 2 spielt in Nordamerika – mal in den mit Graffiti und Kehricht verzierten, nachtschwarzen Gassen von New York, oft aber auch in einer verschlafenen Kleinstadt, deren schäbiger Freizeitpark nur noch wenige Touristen anlockt. Zwei Protagonisten buhlen um die Gunst des Spielers: Natürlich Alan Wake selbst, der schon im ersten Teil leidgeprüfte Autor kann mit Schusswaffen fast ebenso gut umgehen wie mit seiner Schreibmaschine. Und dann ist da noch FBI-Ermittlerin Saga Anderson, die eigentlich nur den mysteriösen Ritualmord an einem Kollegen aufklären sollte. Wie sich die Schicksale der beiden Protagonisten überschneiden und welche Wendungen die dramatische Geschichte bereithält, das verrät IMTEST natürlich mit keinem Wort!



Wenig Licht, viel Schatten

Alan Wake 2 ist, wie sein Vorgänger, ein Action-Adventure, bei dem die Geschichte eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Wer in Spielen oft Gesprächen aus dem Weg geht, Dialoge wegdrückt oder nicht gern selbst kleine Rätsel und große Fälle löst, der sollte sich überlegen, ob dieses Spiel das richtige ist. Natürlich gibt es aber auch Action: Aus der Über-die-Schulter-Sicht tragen Anderson und Wake Schussgefechte mit Schattenwesen aus, dabei ist Licht noch wichtiger als Blei. Denn nur wenn die bizarren Entitäten mit der Taschenlampe angestrahlt oder von einer Leuchtfackel mit gleißend roter Helligkeit übergossen werden, können sie überhaupt verletzt werden.

Ein Screenshot aus dem Videospiel Alan Wake 2. Man sieht die Figur Saga auf einem verlassenen Rummelplatz.
Grusel-Klassiker: Nicht erst seit dem Auftritt in Silent Hill versprühen verwaiste Freizeitparks eine morbide Atmosphäre. © Remedy / IMTEST

Das sieht in Bewegung atemberaubend aus und fügt den Schießereien eine taktische Note hinzu. Welche Feinde kann man elegant umgehen, welche müssen mit der Maglite vorgegart werden (verbraucht kostbare Batterie-Power!) und wann opfert man einen wertvollen Schuss aus der Leuchtpistole, um einer Schar Schattenmonster den Garaus zu machen? In Verbindung mit der sehr guten Grafik und den sehenswerten Verzerr- und Licht-Effekten sind die eher seltenen Kämpfe nicht nur spannend und spielerisch herausfordernd, sondern auch stets ein visuelles Highlight.

Alan Wake 2 bietet drei Schwierigkeitsgrade an: Auf dem leichtesten gibt es immer noch reichlich Spannung und ein paar Bildschirm-Tode, aber eben auch viel Munition; zudem richten die Gegner nur wenig Schaden an. Ab der mittleren Stufe sieht das anders aus: Hier sollte man gut überlegen, wie man mit seiner spärlichen Ausrüstung hinkommt, außerdem ist es äußerst ratsam, kleine Rätsel am Wegesrand zu lösen oder geheime Vorratskisten zu knacken, um sich Upgrades und stärkere Waffen zu holen. Dankenswerterweise gibt es zahlreiche Speicherpunkte (wo auch eine Inventar-Kiste zum Item-Austausch wartet) sowie die Option, die Schwierigkeit sogar mitten in der Action jederzeit umzustellen.

Ein Screenshot aus dem Videospiel Alan Wake 2. Man sieht einen Kampf mit einem Schattenmonster.
Und Action: Schemenhafte Feinde müssen zuerst mit der Taschenlampe angeleuchtet werden, erst dann kann man ihnen mit Waffen Schaden zufügen. © Remedy / IMTEST

Die Detektivin und der Schriftsteller

Neben besagter Action, viel spannendem Erkunden der Schauplätze, einigen Dialogen und reichlich Zwischensequenzen – gedreht mit echten Schauspielern – bringt FBI-Agentin Saga Anderson noch eine detektivische Komponente mit. Per Knopfdruck springt man in eine Art Gedankenraum in ihrem Kopf: Dort gibt es eine riesige Pinnwand, wo man als Spieler dutzende Info-Schnipsel und Polaroids anheften kann. Nach und nach wird so aus Indizien eine schlüssige Beweiskette – mitunter ist das Ermitteln auf diese Art sogar notwendig, um im Spiel voranzukommen. Dann nämlich kann Saga ihre übernatürlichen Profiling-Fähigkeiten einsetzen, um für den Spieler das nächste Missionsziel herauszufinden. Auf dem Silbertablett serviert Alan Wake 2 den Fortschritt übrigens nicht. Man erhält stets nur die Info, welche Aufgabe als nächstes ansteht. Wie man dorthin gelangt, auf welche Weise Schlösser zu knacken oder Türen zu öffnen sind, muss man selbst herausfinden.

Ein Screenshot aus dem Videospiel Alan Wake 2. Man sieht eine Pinnwand mit Polizei-Hinweisen.
Detektiv-Arbeit im Kopf: An dieser Wand wird ermittelt. Neue Be- und Hinweise werden logisch sortiert und geben dann konkrete Spielziele vor. © Remedy / IMTEST

Alan Wakes Part ist sogar noch kniffliger. Der tragische Autor hat zwar keine Detektei in seinem Kopf, kann aber durch das Umschreiben aktiv in die Umgebung eingreifen. Das klingt kompliziert, soll an dieser Stelle aber auch nicht weiter verraten werden. In jedem Fall müssen Spielerinnen und Spieler regelmäßig aktiv und kreativ um die Ecke denken, um voranzukommen. Wer sich im Horror-Genre auskennt, fühlt sich gelegentlich an Hideo Kojimas wegweisende Demo P.T. erinnert (die es nicht zum fertigen Spiel brachte). Leider bringt das auch ein gewisses Try-and-Error-Gefühl mit sich, das aber zum Glück nie in ein nervig-ermüdendes Herumprobieren ausartet.

Wann man Wake und wann Anderson lenkt, ist übrigens nicht strikt vorgegeben, ab einem bestimmten Punkt in der Geschichte ist ein Wechsel zwischen den Figuren möglich. Wer gerne schnell durch Spiele pflügt, sieht den Abspann knapp vor der 20-Stunden-Marke, wer jedoch in Ruhe erkundet und sich auch in optionale Rätsel verbeißt, kann auch 30 aufregende Stunden mit Alan und Saga verleben.

Ein Screenshot aus dem Videospiel Alan Wake 2. Man sieht einen dunklen Raum und die Figur Alan Wake.
Allein in der Dunkelheit? Alan Wake ist eine spannende Figur, was er im Spiel konkret erlebt, soll hier nicht verraten werden. © Remedy / IMTEST

Was Alan Wake 2 mit einem guten Film gemein hat, wie sich das Spiel technisch schlägt und welche finale Note IMTEST zückt – all das finden Sie auf der nächsten Seite.

Portrait Matthias Schmid

Matthias Schmid wollte im Berufsleben "irgendwas mit Video- und Computerspielen" machen – deshalb studierte er nach dem Abitur Informatik, um selbst Spiele zu entwickeln. Nach dem Studium kam die 180-Grad-Wende: Matthias wechselte in die schreibende Zunft, absolvierte ein Volontariat bei einer renommierten Spiele-Fachzeitschrift und wurde 2004 Videospiel-Redakteur in Vollzeit. Damit lebt er seit nunmehr 19 Jahren seinen beruflichen Traum: Spiele testen und darüber schreiben. Diese Jobbeschreibung greift freilich zu kurz: Matthias hat Spiele-Magazine und -Webseiten mitkonzipiert, Fachmessen in aller Welt besucht und Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Er hat ebenso großen Spaß mit Action-Blockbustern wie mit kleinen Indie-Spielen und liebt es nachzuforschen, wer die Macher hinter den Spielen sind. Neben Video- und Computerspielen faszinieren ihn aktuelle Top-Smartphones und – als begeisterter Vogelbeobachter – alles, was mit Ferngläsern zu tun hat.