Returnal für PS5: Großes Spiel, großes Budget
Das ungewöhnliche Actionspiel „Returnal“ für PS5 ist der neueste Streich der technisch versierten Entwickler Housemarque aus Finnland. In der Vergangenheit konnten die findigen Finnen bereits mit kleinen aber feinen und technisch beeindruckenden Arcade-Spielen überzeugen: „Resogun“ (PS4), „Alienation“ (PS4), „Dead Nation“ (PS4), „Matterfall“ (PS4) und „Nex Machina“ (PS4) gehören mit Sicherheit zu den Spielen, die immer wieder gerne hervorgekramt werden, wenn es mal langweilig werden sollte – echte Klassiker eben. Die Sache hat nur einen Haken: Die Spiele haben in der Entwicklung allesamt mehr Geld verschlungen, als mit dem Verkauf wieder eingespielt werden konnte.
Im Jahr 2018 entschieden sich die Entwickler von Housemarque deshalb zu einem einschneidenden Schritt und proklamierten auf ihrer Homepage „Arcade is dead“. Weiter erklärten sie: „Wir machen jetzt Schluss mit kleinen feinen Spielen und konzentrieren uns auf die Entwicklung eines völlig neuen Spiels mit einem großen Budget!“. Da ließ sich Sony nicht lange bitten, öffnete das Portemonnaie und präsentiert rund drei Jahre später „Returnal“, das exklusiv für die Playstation 5 erhältlich ist.
Inhaltsverzeichnis
- Returnal für PS5: Großes Spiel, großes Budget
- Die Story: Ein Absturz mit Folgen
- Der Tod ist der Anfang
- Returnal mit Roguelike-Prozedur
- Mit Returnal auf Makro-Ebene spielen
- Vorbereitung ist bei Returnal alles
- Die Rolle des Äthers
- Ist Returnal nur stumpfes Geballer?
- Returnal ist technisch ganz groß
- Returnal und PS5 im Einklang
- FAZIT
Produktdetails
- 79,99 Euro
- USK 16
- Playstation 5
Die Story: Ein Absturz mit Folgen
Ein Erkundungsflug wird für Raumpilotin Selene am Steuerknüppel ihres kleinen Forschungsschiffes Helios zum Albtraum: Ein heftiger Blitzschlag aus einer Anomalie zerfetzt die linke Steuerdüse, das Schiff rast fast ungebremst auf einen unbekannten Planeten zu und reißt beim Aufprall eine Schneise der Verwüstung. Selene hat das Unglück knapp überlebt, noch völlig benommen taumelt sie durch ein Loch in der Bordwand nach draußen und sieht sich ängstlich und verwundert um. Wo ist sie hier gelandet?
Leider hat bei dem Absturz auch das Funksystem erheblichen Schaden genommen, Hilfe von außen ist also nicht zu erwarten. So bleibt der taffen Pilotin nichts weiter übrig, als sich auf eigene Faust an die Erkundung des augenscheinlich lebensfeindlichen Planeten mit dem klangvollen Namen Atropos zu machen und einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden.
Der Tod ist der Anfang
Vorsichtig unternimmt Selene die ersten Schritte, umklammert dabei den Abzug ihrer kleinen Handfeuerwaffe. Immer wieder spricht sie zu sich selbst, zeichnet so kleine akustische Logbücher mit den Befunden ihrer Erkundung auf, in denen sie verstört die Besonderheiten in der unwirtlichen Umgebung beschreibt. Was ist das da, das zusammengekauert vor ihr auf dem Boden liegt? Ein zweiter Blick bestätigt ihre Vermutung und lässt das Blut in ihren Adern gefrieren. Denn die Leiche im Raumanzug, vor der sie steht, ist zweifelsfrei… sie selbst! Zum Nachdenken bleibt allerdings keine Zeit, denn es nähern sich seltsam anmutende Lebewesen von allen Seiten.
Die Körperstatur erinnert an Tiger, der Kopf ist mit langen Tentakeln besetzt – und nur Bruchteile von Sekunden später kämpft Selene um ihr Leben: Rennend versucht sie dem angriffslustigen Rudel zu entkommen, sich neu zu positionieren, um dann mit entsprechendem Abstand ein kleines Zeitfenster zu nutzen, das den Einsatz ihrer Handfeuerwaffe ermöglicht. Die außerirdischen Monster kreischen und zucken unter dem Beschuss, zerplatzen beim Ableben in einer beeindruckenden Explosion. Drei, vier Biester kann Selene erledigen, bevor sie von einem bisher unentdeckten Mitglied des Rudels angefallen und zu Boden gebracht wird. Game Over? Nein, denn der Tod ist bei „Returnal“ nur der Anfang einer fast völlig neuen Reise.
Returnal mit Roguelike-Prozedur
Wenn Selene stirbt, wird alles auf Anfang gesetzt. Sie wacht erneut in oder nahe ihres abgestürzten Raumschiffs auf und geht wieder und wieder auf die Pirsch, was sie nach einigen Bildschirmtoden mit einem lakonischen „Ich muss mich mehr anstrengen“ kommentiert. Die Spielumgebung von „Returnal“ besteht zwar aus ähnlichen Versatzstücken, sie wird bei jedem Durchgang aber per Zufall, also prozedural, neu zusammengewürfelt. Alle bisher eingesammelten Gegenstände, Waffen und notwendige Ressourcen sind zudem verloren, nur ein einziger Rohstoff bleibt ihr erhalten: Der wertvolle Äther. Das Prinzip des „Roguelike“-Spiels spielt in „Returnal“ eine große, wenn nicht sogar die größte Rolle.
Was ist Roguelike?
Urvater des Genres der „Roguelike“-Spiele ist das Spiel „Rogue“ aus dem Jahr 1980. Hier schlägt man sich in rundenbasierten Kämpfen durch zufällig generierte Dungeons und muss nach dem Tod von vorn beginnen. Roguelikes sind in erster Linie Spiele, die sich eng daran orientieren und neben der fehlenden Möglichkeit zum Speichern des Spielfortschritts und der zufälligen Zusammenstellung der Spielumgebung bei jedem Neustart, oft auch die Ästhetik des Originals aufgreifen. In vielen Fällen – wie auch bei „Returnal“ – gibt es irgendeine Form eines kaum merklichen Makro-Fortschrittssystem, sodass der Spieler selbst dann vorankommt, wenn er dauernd von vorne beginnen muss.
Mit Returnal auf Makro-Ebene spielen
Was auf den ersten Blick eher für Kopfschütteln sorgt, zeigt seine wahren Qualitäten erst, wenn der Spieler merkt, was dieses sonderbare Spielsystem eigentlich für ihn bedeutet: Es ist immer höchste Vorsicht geboten, das genaue Studium der Manöver verschiedenartiger Angreifer hat oberste Priorität. Und dann stellt sich ganz langsam aber sehr sicher das ein, was ein Spiel dieser Art so faszinierend macht:
Der Spieler wird besser und besser, Gegner, die zu Beginn kaum schaffbar wirken, werden im Sekundentakt bei späteren Durchläufen ganz locker von der Platte geputzt. So hat das Spiel zwar eigentlich keinen greifbaren Fortschritt, aber auf einer Makro-Ebene wird der Spieler – teilweise ohne es zu merken – Stückchen für Stückchen zu einer extrem kampfstarken und gewieften Selene gemacht – auch wenn jedes Mal fast die ganze Ausrüstung verloren ist und wieder von vorne gestartet werden muss.
Vorbereitung ist bei Returnal alles
Es ist ganz egal, wie die Spielumgebung nach einem Neustart zusammengesteckt wurde, es gibt immer sehr viel zu entdecken, einzusammeln und zu lernen. Jede der sechs in „Returnal“ verfügbaren Spielumgebungen sind weitläufige, teilweise verwinkelte Gebiete, die sich thematisch drastisch voneinander unterscheiden. Es lohnt sich aber in jedem Fall und bei jedem Durchlauf möglichst viel zu erkunden und einzusammeln, bevor es an den Kampf mit dem beinharten Bossgegner der Spielstufe geht.
In den zahlreichen überall verteilten Kisten finden sich neue, stärkere Waffen, Ressourcen und nützliche Verbesserungen, die für massive Vorteile in den schnellen und nervenaufreibenden Gefechten sorgen: Hier etwas mehr Prozente auf die Verteidigung, dort mehr Glück beim Finden seltener Gegenstände – mit ein wenig Geduld wird aus der Spielfigur während eines Durchlaufs ein recht wehrhaftes und zähes Wesen, das kaum eine Auseinandersetzung zu scheuen braucht. Eine der wichtigsten Ressourcen ist ebenfalls immer zu finden und bleibt sogar nach einem Bildschirmtod im Inventar: Der eingangs erwähnte Äther.
Die Rolle des Äthers
Dieser seltene Rohstoff kann entweder dazu benutzt werden, um bei einem steinernen Terminal nahe des Raumschiffs völlig neue Gegenstände herbei zu zaubern oder dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Denn in jeder Spielwelt findet sich ein sonderbar anmutender Sarkophag. Hier kann nur rein, wer über genügend Äther verfügt, aber die Maßnahme lohnt sich ungemein. Denn dann besteht einmalig die Chance einen Bildschirmtod praktisch ungestraft hinter sich zu bringen. Selene steigt dann voll bewaffnet und mit allen Verbesserungen aus eben diesem Sarkophag. Es sind viele kleine Dinge, die letztlich dafür sorgen, dass der Spieler von „Returnal“ innerhalb einer gewissen Frustgrenze immer bei der Stange gehalten und motiviert wird, es noch ein weiteres Mal zu probieren.
Ist Returnal nur stumpfes Geballer?
Bei den Erkundungstouren auf Atropos wird schnell eins klar: Es ist längst nicht alles so, wie es zunächst scheint. Das gilt in weiten Teilen auch für das gesamte Spiel, denn „Returnal“ gibt sich redlich Mühe neben der Action auch noch eine spannende Geschichte zu erzählen, die den Spieler an den Bildschirm fesseln soll und – ähnlich wie ein Film von Regisseur David Lynch – ständig dafür sorgt, dass kaum zu glauben ist, wie sich die Geschichte in den Handlungsverlauf einfügt und welche unglaubliche Richtung sie einschlägt.
Zusätzlich ist die Spielwelt in der Lage, einen Teil zur Story beizutragen: Monumentale Bauten, seltsame Denkmäler und kryptische Inschriften erzählen vom Schicksal einer außerirdischen Rasse, die einst auf Atropos gelebt hat und sich einer fürchterlichen Bedrohung stellen musste. Wie es dem Spiel dann aber schlussendlich gelingt, die beiden Handlungsbögen von Selene und den ehemaligen Bewohnern von Atropos zusammenzufügen ist ganz großes Kino! Mehr wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Returnal ist technisch ganz groß
Es ist für die Entwickler von Housemarque eine Premiere. Denn die Finnen haben noch nie ein Spiel herausgebracht, das in einer komplett dreidimensionalen Umgebung angesiedelt ist. Aber hier hat man sich ganz klar auf seine Stärken – besonders im Bereich der technischen Raffinessen – verlassen und dabei zusätzlich konsequent bei den Meistern des Genres abgekupfert: Die Erkundung der Spielumgebung erinnert an das hochgeschätzte „Metroid Prime“ (Gamecube), die extrem schnellen und adrenalinfördernden Gefechte gegen phantasievolle Kreaturen aller Couleur könnten direkt aus „Doom Eternal“ (Konsolen und PC) stammen.
Als Sahnehäubchen ist „Returnal“ gekrönt mit dem, was die Jungs von Housemarque eben seither am besten können: Eine perfekt umgesetzte Steuerung der Spielfigur. Und dazu die wohl beeindruckendsten Partikeleffekte, die es aktuell in der Welt der Videospiele zu bestaunen gibt. Je größer der besiegte Gegner, umso imposanter das Feuerwerk, das sich direkt bei seinem Ableben einstellt. Gepaart mit der schnellen Bewegung, die auch den Einsatz eines blitzartigen Ausweichmanövers ermöglicht, dem optischen Feedback beim Betätigen der Waffe und den im Sekundentakt zerplatzenden Aggressoren wird hier ein Netzhautgewitter vom Allerfeinsten gezündet.
Returnal und PS5 im Einklang
Eines ist schnell klar: „Returnal“ ist für die PS5 gemacht. Schließlich würde die PS5 nicht über die zweieinhalbfache Leistung einer PS4 Pro verfügen, wenn die ganze Show dann noch in butterweichen 60 Bildern bei einer dynamischen 4K-Auflösung dargeboten würde. Von der ersten Sekunde an ist es „Returnal“ anzusehen, dass es ein Spiel für die neue Generation der Konsolen ist. Davon sind natürlich auch die Ladezeiten nach einem Bildschirmtod oder einem Gebietswechsel per Stargate-Portal betroffen: es gibt keine. Neben der Optik gibt es noch zwei weitere technische Highlights, die begeistern können.
Zum einen implementiert „Returnal“ die haptischen Features des neuartigen Dual-Sense-Controllers der PS5: So spürt der Spieler sanfte Regentropfen, herabrieselnde Steinchen oder aber eben die Wucht jedes einzelnen Geschosses über das Eingabegerät. Zum anderen ist der 3D-Sound per Format-unterstützendem Kopfhörer eine echte Wucht. Ob ein Feind von vorne, hinten, oben oder unten angreift ist jederzeit klar zu hören – wenn die atmosphärischen Geräusche der Umgebung wie seltsame Vogelrufe, aufziehende Gewitter oder die unaufdringliche aber unheimliche Musik mal Platz dafür lassen.
FAZIT
„Returnal“ für PS5 ist geniale Action – aber nicht für jeden! Besonders am anfänglich recht hohen Schwierigkeitsgrad von „Returnal“ dürften sich Spieler die Zähne ausbeißen, die nicht über insektenartige Reflexe am Gamepad verfügen. Hier wird einiges an Können vorausgesetzt, besonders bei den imposanten Bossen, die mit tödlichen Lichtblitzen im Viertelsekundentakt nur so um sich werfen, ist perfekte Koordination gefragt. Auf der anderen Seite wird die Geduld belohnt, denn mit ein wenig Kenntnis der Umgebungsvarianten und dem Verhalten der verschiedenartigen Gegner wird „Returnal“ zu einer optisch höchst potenten Ballerei – die zudem noch eine Menge Spaß macht.
Auch die in diesem Genre oft vernachlässigte Story hat bei „Returnal“ die nötige Aufmerksamkeit bekommen und motiviert, immer mehr über die Welt und das eigene Schicksal zu erfahren. Zuletzt soll hier noch der Mut des Entwicklers Housemarque und des Publishers Sony Erwähnung finden. Ein Spiel dieser Art, ein Spiel das sich nicht anschmiegt wie eine warme Decke, sondern knallharte Forderungen an den Spieler stellt, mit einem derartigen Entwicklungsbudget auszustatten ist ein echtes Wagnis aber auch ein Ausrufezeichen im Katalog exklusiver Spiele: Genial gemacht, aber eben nicht für jeden Spieler – und das ist auch gut so!
- PRO
- Beeindruckende Technik, keine Ladezeiten
- Große Gegnervielfalt, spannende und ungewöhnliche Story
- KONTRA
- Hoher Schwierigkeitsgrad, stolzer Preis
IMTEST Ergebnis:
sehr gut 1,5
Quelle: IMTEST, Hersteller