OnePlus blickt auf eine interessante Vergangenheit zurück. Einst galten die Geräte als echte Flaggschiff-Killer. Der Preis war unschlagbar günstig, die Hardware auf Augenhöhe mit den ganz Großen und die Software das Produkt des regen Austauschs einer treuen Fan-Gemeinschaft. Doch bis heute hat sich einiges geändert. Nun sind die Preise auf Augenhöhe mit den ganz Großen, die Software losgelöst in den Händen des Unternehmens und das wiederum gehört seit 2021 zum chinesischen Smartphone-Riesen Oppo. Treue Fans wie kritische Redakteure fragen sich also zurecht: Was unterscheidet OnePlus noch von der Konkurrenz und kann es noch als Flaggschiff-Killer gelten? IMTEST hat die Antworten zum Flaggschiff und dabei ein Leck entdeckt: Das OnePlus 10 Pro im Test.
Inhaltsverzeichnis
Wieviel Premium steckt im neuen Design?
Die Modelle der letzten Jahre bewiesen schon echte Premium-Qualitäten. Mattes Glas oder Hochglanz-Chrom, Metallrahmen und abgerundete Gehäuseränder – die Wahl und Verarbeitung der Materialen ließ keine Wünsche offen. Im Test des OnePlus 9 Pro gefiel auch, dass die rückseitige Kamera-Einheit fast eben ins Gehäuse eingelassen war. Das ist unter Spitzenmodellen selten, da die aufwendige Kamera-Technik immer mehr Raum beansprucht.
Im Nachfolgemodell OnePlus 10 Pro ragt das Kamera-Plateau weiter hervor, setzt sich etwas vom Gehäuse ab und trägt dadurch mehr auf. Die rückseitigen Kameras sind dadurch prominenter in Szene gesetzt als noch beim Vorgänger. Die Rückseite ist matter denn je, fühlt sich glatt bis samtweich an, ist aber robust: widerstandsfähiges Gorilla Glass 5. Die Farbgebung ist mit wahlweise Schwarz oder Grün schlicht gehalten.
Eine IP-Zertifizierung erhält das OnePlus 10 Pro nur für den US-Amerikanischen Markt. Laut Hersteller entspricht aber der Schutz vor Staub und Wasser europäischer Modelle dem der amerikanischen mit offizieller IP-68-Zertifizierung.
Alles in allem ist an der hohen Verarbeitungsqualität des neuen OnePlus 10 Pro nichts auszusetzen. Der große Wow-Faktor des wie in Chrom gehüllten OnePlus 9 Pro oder des Gletscher-blauen OnePlus 8 Pro bleibt aber aus. Stattdessen gibt es eher Understatement. Es scheint fast so, als dürfte das neue OnePlus nicht mehr wie ein Luxus-Modell wirken, weil das der Premium-Marke Oppo vorbehalten bleibt.
OnePlus 10 Pro: Bildschirm im Test
Mit 3.126 x 1.440 Pixeln auf dem 6,7 Zoll großen Bildschirm bringt es das OnePlus 10 Pro auf messerscharfe 525 Pixel pro Zoll. Das sind genau so viele wie beim Vorgänger. Auch hat sich an der hohen Bildwiederholrate nichts geändert, die 120 Hertz beträgt und Bewegtbild geschmeidig anzeigt. Die im Testlabor gemessene Helligkeit von 860 Candela pro Quadratmeter (cd/qm) ist auf hohem Niveau, überholt damit sogar das Oppo Find X5 Pro (750 cd/qm), erreicht aber nicht das Samsung Galaxy S22 (1.041).
Schwächen gibt es bei der Farbdarstellung: Die Farben wirken auf den ersten Blick prächtig und kräftig. Die Messungen ergeben aber eine insgesamt etwas geringe Genauigkeit bei der Farbwiedergabe, je nach Geräte-Einstellungen. Entweder sind die sRGB-Farben zu intensiv (Einstellung “Cineastisch) oder die für gewöhnlich kräftigen Farben des DCI-P3-Farbraums zu fahl (Einstellung “Natur”). Unter keiner der Voreinstellungen aber ist das Ergebnis sehr gut. Das sehr hohe Kontrastverhältnis dank tadellos tiefem Schwarz eines OLED-Bildschirms rettet die Note dann etwas. Insgesamt erreicht der Bildschirm mit 2,0 eine gute Zwischennote.
Kamera im Test: Hasselblad bleibt
Die 2021 ins Leben gerufene Kooperation mit dem schwedischen Kamera-Hersteller Hasselblad bleibt trotz der Übernahme von OnePlus durch Oppo bestehen. Wie auch beim OnePlus 9 Pro resultiert hieraus eine genauere Farbabstimmung der Kamera-Technik. Kurzum: Farben sollten natürlich eingefangen werden.
Im Testaufbau stellen sich Smartphones keinem geringeren Gegner als der Profi-Kamera Sony Alpha 7 III. Experten haben die Aufnahmen am Computer feinjustiert, sie, insbesondere bei der Farbwiedergabe, dem Original entspricht. Gegen diese Referenz vergleichen die Tester die Aufnahmen von Testgeräten wie dem OnePlus 10 Pro. Sie bewerten verschiedene Qualitäten wie Bildschärfe, Detailwiedergabe, Rauschen, Farbwiedergabe und mehr.
Im Test zeigte das OnePlus 10 Pro, was seine Kameras drauf haben. Bei simuliertem Tageslicht war die Farbwiedergabe tadellos. Auch die sehr hohe Detailschärfe überzeugt. Bei wenig Licht nehmen Farbengenauigkeit und Bildschärfe etwas ab, sind aber gut. Mit Zoom-Experten wie dem Samsung Galaxy S22 Ultra hält das 10 Pro dann nicht mit. Die Vergrößerung beträgt hier maximal 30-fach, ist dann unscharf. Bei vierfacher Zoom-Vergrößerung im Test zeigten die Aufnahmen aber eine sehr hohe Detailauflösung. Die Selfie-Kamera brachte ebenfalls gute Ergebnisse bei Tageslicht, verschlechterte die Gesamtnote aber durch die Qualitätsabnahme bei wenig Umgebungslicht.
In der Summe zählt das Kamera-Konvolut des OnePlus 10 Pro zu den derzeit besten in einem Smartphone. Im Vergleich zu den Platzhirschen macht es mit der Note 2,1 eine gute Figur gegen das Oppo Find X5 Pro (2,1) und das Samsung Galaxy S22 Ultra (2,2). Besser sind nur das das Google Pixel 6 Pro (1,8), das Xiaomi Mi 11 Ultra (1,9) und das iPhone 13 Pro bzw. Pro Max (1,7).
Verbesserte Leistung und Laufzeit
Wie es sich für ein neues Flaggschiff gehört, muss ein ordentlicher Antrieb an Bord sein. Das ist auch hier der Fall in Form des neusten und schnellsten Prozessors für Android-Smartphones. Der Snapdragon 8 Gen. 1 des OnePlus 10 Pro sorgt im Test für rasant kurze Ladezeiten und spieltaugliche Leistung. Im Geekbench erreichte er 3.487 Punkte (Mehrkern-Berechnung), im Spielebenchmark 3DMark Wild Life 9.589 Punkte – beides sehr hohe Werte.
Damit die Power aber nicht für kurze Laufzeiten sorgt, erhöht sich die der Energiespeicher von 4.500 Miliamperestunden beim OnePlus 9 Pro auf nun 5.000 mAH. Damit und dank besserer Effizienz des Prozessor erreicht das OnePlus 10 Pro eine gute Laufzeit von 10:30 Stunden. Samsungs Galaxy S22 schafft 8:05 Stunden, Oppo Find X5 Pro 7:11 Stunden und Googles Pixel 6 Pro sogar nur 6:05 Stunden.
OnePlus erhöht außerdem den Ladestrom von 65 Watt auf 80 Watt (SuperVOOC) – das entsprechende Netzteil ist notwendig, liegt aber auch bei. Aufgrund des größeren Akkus lud das OnePlus 10 Pro mit 37 Minuten etwa gleich lang wie der Vorgänger (31 Minuten).
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Neue Benutzeroberfläche
Als Software verwendet OnePlus die Benutzeroberfläche OxygenOS 12.1 basierend auf Android 12. Die Grundstruktur des Systems ist identisch mit ColorOS 12 vom Schwesterkonzern OPPO. Die von vielen Fans geschätzten Funktionen wie Zen Mode oder die Schriftart OnePlus Sans sind weiterhin vorhanden. Die Oberfläche ist außerdem ein wenig minimalistischer als ColorOS gehalten. So gibt es weniger bunte Farben und zusätzliche Apps, was für eine flüssige Bedienung sorgt. Neu sind Funktionen wie etwa für einen erweiterten Dunkel-Modus. Ein neues OnePlus Shelf kann über einen Wisch von der oberen rechten Ecke nach unten geöffnet werden, in welchem Widgets (kleine Kacheln wie zum Beispiel das Wetter) angezeigt oder Apps schnell gestartet werden können.
Zudem wurde der Arbeits- und Freizeit-Modus angepasst. So kann nun zwischen zwei Profilen gewechselt werden, basierend auf dem Standort, der Zeit oder manuell. Das System stellt dann die gewünschten Benachrichtigungen je App auf lautlos. Private Dateien lassen sich nun in einem virtuellen Safe mit einem Passwort schützen. Der Hersteller verspricht für seine Flaggschiff-Smartphones drei große OS-Upgrades sowie vier Jahre an Sicherheitsupdates. Das ist mehr als manche Konkurrenz einhält, wiederum bieten Platzhirsche wie Apple und mittlerweile auch Samsung sogar vier bis fünf Jahre an Funktions-Updates.
Skandal beim Fingerabdrucksensor!
Stellen Sie sich vor, jemand entsperrt mit seinem Fingerabdruck Ihr Smartphone – einfach so, ohne Tricks. Genau das ist der IMTEST-Redaktion passiert: Obwohl nur der Daumen des zuständigen Autors registriert ist, konnte ein anderer Kollege das OnePlus 10 Pro entsperren. Das ließ sich mehrfach wiederholen, allerdings nicht bei anderen Smartphones.
Vermutlich hat dies zwei Gründe: Zum einen ist ein optischer Sensor verbaut. Der gilt als ungenauer und deshalb nicht so sicher wie kapazitive oder Ultraschall-Sensoren. Hinzu kommen wohl Fehler in der Software, die eine zu hohe Toleranz beim Abgleich erlauben. Fingerabdrücke sind von Tag zu Tag unterschiedlich gut lesbar aufgrund von Verschmutzungen, Schweiß, Feuchtigkeit und mehr. Bei der Erkennung erlauben die Algorithmen darum eine gewisse Abweichung. Die scheint in diesem Falle derart hoch zu sein, dass sogar ein fremder Abdruck akzeptiert wird.
Es bleibt zu hoffen, dass OnePlus dieses dringende Problem per Software-Update behebt. Bis zur Behebung dieser Sicherheitslücke rät IMTEST davon ab, den Fingerabdrucksensor des OnePlus 10 Pro für das Entsperren des Geräts, aber ebenso für das Online-Shopping, -Banking oder andere Apps zu verwenden.
Aktuell finden hierzu weitere Untersuchungen und Tests im IMTEST-Prüflabor statt. Ein Update zu den Hintergründen und ein Ratgeber zum Thema folgen. Da zu diesem Zeitpunkt nicht exakt eingeschätzt werden kann, ob und in welchem Ausmaß auch andere Geräte betroffen sind, hat der Fehler vorerst keinen Einfluss auf die Gesamtnote.
Update vom 8.4.2022: Nachdem der Hersteller ein neues Gerät zur Verfügung stellte, musste auch dieses OnePlus 10 Pro sich einem Test stellen. Der Fehler ließ sich nach ersten Versuchen nicht rekonstruieren. Offenbar handelte es sich tatsächlich um einen Hardware-Fehler, der zu Ungenauigkeiten führte. Wie viele Geräte oder Chargen noch davon betroffen sind, ist aktuell noch nicht zu klären.
Fazit
Auch wenn das Display leichte Schwächen bei der Farbtreue vorweist, machen das die sehr hohe Leistung, die lange Laufzeit und das sehr schnelle Laden wieder wett. Die Fotoqualität überzeugt mit hervorragender Farbtreue, sehr guter Detailwiedergabe und zählt damit zu den derzeit besten unter Smartphones. Dabei kostet der Handschmeichler mit 999 Euro in der getesteten Variante deutlich weniger als seine etwa gleich starken Kontrahenten, wie etwa das Galaxy S22 Ultra für 1.349 oder das Oppo Find X5 Pro für 1.299 Euro (je ebenfalls mit 256 Gigabyte Speicher). Und so weiß sich das OnePlus 10 Pro im Sturm zwischen all den Flaggschiffen exzellent zu positionieren – und versenkt sie. Mit seiner Gesamtnote ist es zusammen mit dem ungleich teureren Galaxy S22 Ultra das derzeit stärkste Android-Smartphone bei IMTEST. Bleibt nur zu hoffen, dass das Leck Fingerabdrucksensor bald gestopft ist.
- PRO
- Sehr hohe Rechenleistung, helles, scharfes und kontraststarkes Display, hohe bis sehr hohe Fotoqualität, lange Laufzeit, schnelles Laden, 5G, wasserdicht.
- KONTRA
- Bildschirm mit leichten Farb-Schwächen, Selfie-Kamera bei wenig Licht schwach.
IMTEST Ergebnis:
gut 1,7