Seitdem das Thema Nachhaltigkeit auf der Tagesordnung steht, werden zahlreiche Produkte mit einem grünen Blatt und einer entsprechenden Umwelt-Aussage versehen. So inzwischen auch bei Kaffeekapseln, Müsliriegel-Verpackungen und sogar Einweg-Rasierer, die laut Werbeaussage angeblich biologisch abbaubar sein sollen. Steckt dahinter möglicherweise eine sinnvolle Alternative für herkömmliches Einweg-Plastik? Ist es tatsächlich abbaubar oder verbirgt sich doch ein leeres Versprechen dahinter? IMTEST war Teil eines einzigartigen Versuchs und zeigt, was hinter der Debatte um Bioplastik steckt.
Einwegplastik soll kosten – Gesetzesentwurf erarbeitet
Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Hersteller von Produkten aus Einwegplastik zur Kasse gebeten werden sollen.
Was ist Bioplastik?
Der Grundgedanke von Herstellern beim Verwenden von sogenanntem Bioplastik ist im Kern gut. Aus organischem Material wie zum Beispiel Mais oder Zuckerrohr wird eine Verpackung oder ein Produkt hergestellt. Diese zerfallen in der Theorie hinterher wiederum zu organischem Material und können unter anderem als Kompost weiterverwendet werden. Doch so einfach ist die Realität leider nicht, denn zunächst sollte klar sein, dass die für Bioplastik verwendete Pflanzen zum großen Teil aus konventioneller Landwirtschaft stammen. Außerdem ist der Begriff nicht geschützt, was wiederum bedeutet, dass manche Materialien lediglich mit organischen Stoffen angereichert wurden.
Angenommen, das Material besteht tatsächlich komplett aus pflanzlichen Rohstoffen, bedeutet das trotzdem noch nicht, dass es sich unter natürlichen Bedingungen wieder zersetzt. Genau hier liegt die Problematik, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit dem Versuch verdeutlichen will. Denn der Hinweis auf einer Verpackung, das Material sei biologisch abbaubar, vermittelt schnell falsche Signale. So zeigt eine durch die DUH durchgeführte Studie, dass 50 Prozent der Befragten glaubt, man könne Bioplastik über die Biotonne entsorgen. 23 Prozent würden biologisch abbaubare Verpackungen sogar ohne Bedenken in der Natur zurücklassen.
Mehrwegbecher im Stadion: Ein Verein nutzt noch Einwegplastik
Während das Stadionbier früher typischerweise in Plastikbechern verkauft wurde, setzen mehr und mehr Fußballvereine auf Mehrwegsysteme. Ein Verein aus der zweiten Bundesliga ist diesen Schritt noch nicht gegangen.
Die Verwirrung ist zweifelsfrei groß – und sie ist begründet. Auf der einen Seite stehen Siegel und Normen auf Verpackungen, die Unbedenklichkeit hinsichtlich der biologischen Abbaubarkeit suggerieren. Auf der anderen Seite warnen Umweltverbände und Verbraucherschützer davor, dieser Alternative vorschnell zu trauen. Der Versuch der DUH sowie die daraus gewonnen Erkenntnisse bringen endlich Klarheit in die Thematik – möglicherweise mit weitreichenden Konsequenzen.
Das passiert mit Bioabfall
Der Versuch findet in der RSAG-Entsorgungsanlage in der Gemeinde Swisttal bei Bonn statt. Die Anlage wurde bewusst gewählt, denn das Verfahren, mit welchem hier Bio- und Grünabfälle kompostiert werden, gilt als repräsentativ für die überwiegende Mehrheit der deutschen Entsorgungsanlagen. Sprich: So wie man in Swisttal mit dem Abfall verfährt, so geschieht es fast überall in Deutschland. Insofern lassen sich die Erkenntnisse aus dem Experiment bedenkenlos übertragen.
Organische Abfälle werden über Biotonnen aus den Kommunen eingesammelt und zunächst auf einem großen Haufen gelagert. Der eigentliche Kompostierungsprozess nennt sich Rotte und findet in zwei Teilen statt. In einem ersten Schritt wird das Material in einem Tunnel gelagert und verbleibt dort acht Tage. Man nennt dieses Stadium Intensivrotte. Über eine Belüftung von unten finden bestimmte Abbau-Prozesse statt, die nach diesem Zeitraum in der Nachrotte weitergeführt werden. Hier verbleibt das Material für weitere 13 Tage.
Insgesamt bedeutet das also, dass Bioabfälle in der gängigen Praxis der Entsorgungsbetriebe 21 Tage Zeit haben, bis sie wieder zu Kompost weiterverarbeitet werden. Sollten sich sogenannte Störstoffe in dieser Masse befinden, werden diese im Siebüberlauf gesammelt und in einer entsprechenden Anlage verbrannt. In der Regel findet sich hier Plastik, aufgrund der grobkörnigen Siebung allerdings auch noch viel organisches Material, was im Idealfall zu Kompost hätte weiterverarbeitet werden können.
Ein Experiment in zwei Teilen
Um nun herauszufinden, ob sich sogenanntes Bioplastik für die Entsorgung über den Biomüll eignet, führte die DUH den Versuch in dem beschriebenen Zeitraum von 21 Tagen durch. Zu Beginn wurden Kartoffelsäcke mit Grünabfall und den zu testenden Materialen versehen. Im Detail handelt es sich um die folgenden Produkte: Die Folie eines Müsliriegels, Teekapseln, Espressokapseln, Einweg-Rasierer, Smoothie-Becher, Bioabfallbeutel, Grill-Teller, ein Besteck-Set sowie ein Turnschuh.
Mitarbeiterinnen der DUH platzierten die befüllten Kartoffelsäcke in dem Tunnel der Intensivrotte. Ketten sorgten dafür, dass sie nicht verloren gehen, zusätzlich wurden pinken Stäbe in den Boden gesteckt, um die Stelle nach der Rotte sicher wiederzufinden. Was ist nun laut Herstellerversprechen vorgesehen? Im Idealfall sollten sich die Versuchsobjekte innerhalb der 21 Tage komplett in organisches Material zurückwandeln, denn nur das ermöglicht eine hundertprozentige Weiterverarbeitung.
Bleibt Material übrig, wurde es nicht abgebaut und muss über den Siebüberlauf oder im Extremfall auch per Hand ausgelesen werden. Dies sorgt zum einen dafür, dass weniger Material zurück in den Wertstoffkreislauf geführt werden kann, zum anderen jedoch auch zu höheren Kosten der Entsorgungsanlage. Diese wiederum werden im Endeffekt an die Endverbraucher weitergegeben.
Das Ergebnis in Vorher-Nachher-Bildern
Das Ergebnis des Versuchs ist ernüchternd. Alle Testobjekte sind vollständig oder in Teilen erhalten geblieben. Sprich: Das Werbeversprechen der Kompostierbarkeit trifft bei keinem Produkt zu. Die Vorher-Nachher-Vergleiche zeigen das Ergebnis sehr anschaulich.
Diverse problematische Produkte
Man könnte nun argumentieren, dass 21 Tage viel zu kurz sind und dass die Kaffeekapseln auf dem privaten Komposthaufen im Garten viel länger liegen bleiben können. Das ist tatsächlich möglich, doch die Entsorgungshinweise auf den Verpackungen oder auf den Produkten selbst sind für alle Haushalte bestimmt. Das schließt vor allem Haushalte ein, deren Bioabfälle durch kommunale Entsorger weiterverarbeitet werden. Weiterhin verdeutlicht das Ergebnis, dass eine Entsorgung in der Natur die schlechteste Idee ist, da man hier keinerlei Kenntnis über den Abbauprozess hat.
Was bringen die aufgedruckten Normen?
Man könnte sich nun fragen, wie Hersteller überhaupt zu ihren Siegeln kommen, wenn ihre Produkte so offensichtlich bei der Entsorgung über den Biomüll für Probleme sorgen. Ein Beispiel ist die DIN EN 13432, mit der sowohl der Smoothie-Becher als auch der Müllbeutel zertifiziert sind. Um diese Zertifizierung zu erhalten, muss das Produkt ein fünf-teiliges Prüfverfahren bestehen. Eines davon lautet wie folgt: “In Schritt 3 wird die Kompostierbarkeit geprüft. Nur wenn von einer Verpackung nach 3-monatiger Kompostierung – und anschließendem feinen Sieben – weniger als 10 % der Originalmasse verbleiben, gilt es als kompostierbar.”
Es wird deutlich: Die Verfahren, nach denen Siegel zur Kompostierbarkeit vergeben werden, sind weit davon entfernt, eine realistische Verarbeitung abzubilden. Insofern nützt es wenig, auf die Aussagen der Hersteller zu vertrauen. Denn sobald Mitarbeitende der Entsorgungsbetriebe auf ihren Fahrten einen Störstoff im Biomüll entdecken, ist das nicht nur unangenehm, sondern kann auch die Verweigerung der Mitnahme mit sich ziehen.
Die Frage, was nun alles in den Biomüll gehört, beantworten die entsprechenden Entsorgungsbetrieben am besten selbst. Auf dem ausgedruckten Abfallkalender oder online kann man sich als Verbraucher entsprechend informieren. Beispielsweise gelten für viele Kommunen mit Wachs beschichtete Papierbeutel als unbedenklich, um darin Bioabfälle zu lagern und wegzuwerfen.
Konsequenzen und Alternativen
Kritisch an der Deklarierung von Materialen als Bioplastik ist vor allem die Täuschung der Verbraucher. Während viele Menschen umweltbewusst konsumieren wollen, führen solche Werbelügen zu Frustration und einem Vertrauensverlust. Insofern fordert die Deutsche Umwelthilfe als Konsequenz aus den Ergebnissen ein Werbeverbot zur Kompostierbarkeit von Bioplastik vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, kann das über eine vorformulierte Protestmail tun.
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Grundsätzlich ist es allerdings ratsam, auf Einwegverpackungen generell zu verzichten, unabhängig davon, um welches Material es sich handelt. Stattdessen sind Mehrweglösungen eine grundsätzlich ökologische Alternative. Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich unter anderem dafür ein, echte Lösungen für die durch Plastikmüll verursachten Probleme zu fördern. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen zur Vermeidung von Abfall sowie und zur Stärkung von Mehrwegsystemen.