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Nreal Light: Die erste nützliche AR-Brille im Selbstversuch

Wozu einen Fernseher kaufen, wenn die ganze Welt ein Bildschirm ist? Die Nreal Light macht Science Fiction (fast) zur Wirklichkeit.

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Nreal Light: Die erste nützliche AR-Brille im Selbstversuch // IMTEST

Wozu einen Fernseher kaufen, wenn die ganze Welt ein Bildschirm ist? Die Nreal Light macht Science Fiction (fast) zur Wirklichkeit.

Produktdetails
  • Preis: 650 Euro
  • Gewicht: 88 Gramm
  • Verbindung: USB-C

Einen Kasten vor die Augen schnallen und der Realität entfliehen: Seit die Oculus Rift ihrer Zeit die Faszination um die virtuelle Realität (kurz “VR”) erneut entfachte, ist die Technik mittlerweile so gut wie etabliert. 2016 erschien die erste funktionsfähige Version für Endverbraucher, die noch einen leistungsstarken Computer im Rücken benötigte, um anständig zu funktionieren. Heute bewegen sich VR-Pioniere mit dem Nachfolgemodell Oculus Quest dank integrierter Prozessoren beinahe autark durch den dreidimensionalen Raum. 

“Virtual-Reality-Headsets” versetzen ihre Nutzer dabei gänzlich in eine andere Welt und blenden die reale Umgebung aus. Sie sind hauptsächlich als Unterhaltungselektronik zu verstehen und werden im Privaten größtenteils für Videospiele genutzt. Anders verhält es sich bei der “Angereicherten Realität” (Augmented reality, “AR”): AR-Brillen lassen ihre Nutzer die wirkliche Umgebung durch die Brillengläser sehen, spicken sie aber mit zusätzlichen virtuellen Inhalten. So lässt sich zum Beispiel ein kleines Hologramm auf einem Tisch darstellen, der in Wirklichkeit leer ist. Auch moderne Elektroautos blenden mit ihren Head-Up-Displays bereits Informationen wie etwa das Tempo in die wirkliche Umgebung ein. Man spricht daher oft auch von “Mixed Reality”.

AR-Brillen galten bisher als klobig, energiehungrig und praxisfern. Erste Prototypen von großen Herstellern wie Google (Google Glass) und Microsoft (Hololens) verfolgten unterschiedliche Ansätze, konnten insgesamt aber nicht überzeugen. Dem chinesischen Unternehmen Nreal ist es jetzt gelungen, mit der Nreal Light eine AR-Brille zu entwickeln, die beinahe Sonnenbrillenformat besitzt und zum Funktionieren nicht mehr benötigt, als ein aktuelles Smartphone. 

Nreal light: Die Mixed-reality-Sonnenbrille

Auf den ersten Blick wirkt die Nreal Light wie jede andere Brille auch. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man aber schnell die dicken Bügel, die in den Brillengläsern eingelassenen Kameras und vor allem das lange USB-C-Kabel, das aus ihr herausragt. Damit verbindet man die Brille mit einem Smartphone, in diesem Fall mit einem Oppo Find X 3 Pro. Das handy kümmert sich dann um die Berechnung der Inhalte und dient als Fernbedienung, die Light ist in erster Linie ein Ausgabegerät. Beim Tragen fällt schnell auf, dass in der Nreal Light mehr steckt, als in üblichen Sehhilfen: Zwar wiegt das Gerät mit rund 88 Gramm deutlich weniger als andere AR-Brillen, wirklich angenehm trägt es sich aber nicht. Immerhin legt der Hersteller unterschiedliche Nasenbügel bei, sodass Nutzer den Blickwinkel ihren Bedürfnissen nach anpassen können. 

Das Handy auf der Nase

Ist die Brille einmal mit dem Smartphone verbunden, startet automatisch das Betriebssystem “Nebula”. Vor den Augen erscheint dann ein Menü mit Apps und Programmen, die man so auch schon vom Smartphone kennt: Instagram, YouTube oder Webbrowser wie Google Chrome stehen zur Auswahl. Mit dem Smartphone, das nun wie ein Laserpointer funktioniert, wählt man durch Zeigen ein Programm aus und startet es. Das Besondere: Das Programmfenster haftet im Nachhinein fest im dreidimensionalen Raum. Über die Handy-Fernbedienung platzieren Nutzer es an einer Stelle, wo es fortan wie in der Luft schwebt. Bewegt man sich im Zimmer, registrieren Sensoren in der Brille und dem Smartphone die Bewegung und berechnen, wo die App haften zu bleiben hat. Der Effekt ist beeindruckend: Die Programme schweben erstaunlich präzise vor der eigenen Nase, man kann sogar einmal komplett um sie herumlaufen – wie um ein Plakat auf der Straße. Außerdem wählen Nutzer aus, wie groß das Programmfenster sein soll. So lässt sich etwa das YouTube-Fenster so groß aufziehen wie eine Kinoleinwand.

Großes potenzial, kleines Sichtfeld

Die YouTube-App auf Leinwandgröße offenbart aber auch eine Schwachstelle der Nreal Light: Das unterstützte Sichtfeld ist mit 52 Grad nicht ansatzweise so groß, wie das natürliche Sichtfeld eines Menschen. Ragen Inhalte über dieses Sichtfeld hinaus, werden sie abgeschnitten. Je dichter man an ein Programmfenster herantritt, desto schneidet der Darstellungsradius der Brille ab. Dabei hat man aber oft den Wunsch, sich den Inhalten zu nähern, denn wirklich scharf sind sie nicht. Im Browser eine Nachrichtenseite zu lesen ist unangenehm, die Konturen und Ränder bei Videos wirken verwaschen. Trotzdem macht es Spaß, sich mit der Nreal Light Videos anzuschauen. Die Möglichkeit, jederzeit und überall mehrere digitale Bildschirme aufzuhängen, überzeugt.

Kochen mit Vodafone

Erste Partner haben bereits damit begonnen, eigene Apps speziell für die Nreal light zu entwickeln. In Deutschland organisieren hauptsächlich Vodafone und die Telekom den Vertrieb der Brille. Erstere ersannen mit der Giga-AR-App ein eigenes Ökosystem für AR-Anwendungen, darin eine Kochschule mit Fernsehkoch Steffen Henssler. Der wurde für das Programm gescannt und steht Hobbyköchen fortan als kleine 3D-Figur zur Seite. Stück für Stück kocht man so durch eine Auswahl unterschiedlicher Gerichte. Um das Smartphone dabei nicht schmutzig zu machen, wechseln Nutzer in eine freihändige Steuerung und wählen Zutatenlisten oder Kochschritte mit ihrer Blickrichtung aus. Das klappte alles ohne Probleme, solange man nicht versehentlich mit nassen Fingern die Brillengläser beschmierte.

Verkabelt: Die Nreal Light ist per USB-C mit einem modernen Smartphone verbunden.

FAZIT

Die Nreal Light zeigt als erste AR-Brille, wo die Reise hingehen kann: Leichter, handlicher und nutzerfreundlicher hat es noch kein digitales Headset geschafft, Nutzer auf das Holodeck zu entführen. Die Bedienung ist eingängig und schnell gelernt und die Funktionen demonstrieren, wie AR-Brillen zukünftig im Alltag genutzt werden könnten. Aber: Darstellungsqualität und Sichtfeld müssen für ein wirklich rundes Erlebnis noch nach oben geschraubt werden. Dann haben digitale Brillen in einigen Jahren das Potenzial, Fernseher und Computermonitore obsolet zu machen.

  • PRO
    • Beeindruckende Funktion, alltagstauglich und tatsächlich nützlich, mobil und leicht.
  • KONTRA
    • Sichtfeld und Bildqualität ausbaufähig, zunächst nur Android-Unterstützung

IMTEST Ergebnis: gut

gut 2

Fotos: IMTEST, Hersteller

Max Sellmer

Als bekennender “Digital Native” schreibt Max Sellmer seit mehreren Jahren über Unterhaltungselektronik und Online-Trends. Der studierte Medien- und Kommunikationssoziologe arbeitete bereits als Redakteur für die Computer Bild und realisierte in Agenturen Werbekampagnen mit bekannten deutschen Influencern. Begeistert verfolgt er die Entwicklung sozialer Medien und die immer tiefere Vernetzung alltäglicher Lebensbereiche. Für IMTEST betreut er die News-Rubrik, produziert und moderiert Videoinhalte und testet natürlich von Toaster bis Cyber-Brille unterschiedlichste Produkte.