Auch wenn der E-Auto-Markt derzeit – zumindest in Deutschland – etwas ins Stottern gerät (Thema Förderende für E-Autos), die Palette an neuen Modellen wächst aber rasant weiter. Dank des Nio ET5 Touring kommt etwa frischer Wind ins vollelektrische Kombi-Segment. Der chinesische Hersteller Nio fertigt Premium-Elektrofahrzeuge – auch für den europäischen Markt. IMTEST hat jetzt den edel wirkenden Fünftürer in der Ausstattungsvariante mit Long Range Batterie (100 kWh) zum Fahr-, Lade- und Reichweiten-Test geladen. Der Test verrät, ob etablierte Hersteller wie Opel oder Peugeot – die ebenfalls auch E-Kombis anbieten – die Konkurrenz aus Fernost fürchten müssen. Eines hat Ihnen der Nio ET5 Touring jedenfalls schon einmal voraus: Seine Batterie lässt sich in nur fünf Minuten austauschen. Das soll künftig für enorm kurze Ladezeiten sorgen. Aber dazu weiter unten mehr.
Produktdetails
- 5-türig / Kombi
- Leergewicht: 2.210 kg
- 4,79 x 1,50 x 2,04 m (Länge/Höhe/Breite, mit ausgeklappten Seitenspiegeln)
- Allrad / 200 km/h (Antrieb/Höchstgeschwindigkeit)
- max. Leistung in KW (PS): 360 (490)
- Netto-Akkukapazität Testwagen: 90 kWh (Brutto: 100 kWh)
- Reichweite nach WLTP in km: 590
- Basispreis: 47.500 Euro (exkl. Batterie), Long Range Batterie zur Miete für 289€/ Monat oder zum Kauf für 21.000€; Testwagen: 69.250 Euro (inkl. 100 kWh-Batterie
Nio ET5 Touring: Sensoren so weit das Auge reicht
Insgesamt 33 Sensoren und acht Kameras, die sich etwa an den Seitenspiegeln, an den Kotflügeln, in Wölbungen auf dem Dach oder unter der Rücklichtleiste an der Kofferraumklappe befinden, “versorgen” die Fahr- und Park-Assistenten des Nio mit Information zur direkten Umgebung rund ums Auto. So soll sichergestellt werden, dass die Fahrenden des doch etwas wuchtig wirkenden Nios (knapp 4,80 Meter lang und 2,04 breit) den Seiten- und auch den rückwärtigen Verkehr nicht aus den Augen verlieren. Auch für Ein- und Ausparkmanöver bewährte sich im Test diese Rundum-“Überwachung”.
Da die Rundumsicht, inklusive Schulterblick aus dem Fahrzeug heraus im Großen und Ganzen ordentlich ist, sollte es hier eigentlich keinen Anlass für Kritik geben. Zumal sogar die breite C-Säule durch ein zweites, kleines Seitenfenster “aufgebrochen” wird (siehe nachfolgende Fotogalerie). Allerdings ist die Heckscheibe zu klein, zudem stören hier für einen unverstellten Rückblick durch den Spiegel auch die etwas hohen und nicht versenkbaren Kopfstützen der hinteren Sitzreihe.
Ein absolutes Highlight ist das in der Serienausstattung enthalten Panoramadach des ET5 Touring da. Die nachfolgende Bildergalerie zeigt den Rundumblick aus dem E-Kombi im Detail.
Sicherheit: An alles gedacht
Ganz gleich ob Spurhalte-Assistent, Kollisionswarner, Querverkehr-Erkennung beim Rückwärtsfahren oder ein vorausschauendes Fußgänger-Notbremssystem – beim Nio ET5 Touring sind insgesamt 23 Sicherheits- & Fahrassistenzfunktionen als Serienausstattung mit dabei – ein Topwert. Bei den Parkassistenzsystemen verhält es sich ähnlich. Hier muss für die Türöffnungswarnung (DOW), die stufenlose automatische Einparkhilfe mit Fusion (S-APA mit Fusion) oder das Power Swap mit Einparkhilfe (PSAP) kein Aufpreis gezahlt werden. Für die Testpunkte Fahr-Assistenzsysteme und Park-Assistenzsysteme sichert sich der E-Kombi dank seiner Rundum-Sorglos-Pakete wenig überraschend Bestnoten.
Der Nio ET5 Touring in 360 Grad
Bitte einsteigen und umschauen: Der Innenraum des E-Kombis lässt sich hier im Detail studieren.
Cockpit
Fond
Fahren und Komfort: Zwischen Gemütlichkeit und Bodenwelle
Der Nio konnte im Test nicht nur mit wertig verarbeiteten Materialien im Innenraum punkten. Dazu zählen sein großes und griffiges Lenkrad, die bequemen und vollelektrisch verstellbaren Sitze sowie eine sehr aufgeräumt gestaltete Ablage unter der Windschutzscheibe. Auch das gelungene Design des Fahrzeugs mit bündigen Türgriffen, rahmenlosen Fenstern, sportlichem Heckspoiler oder schnittiger Frontblende weiß zu überzeugen. Einzig die offensichtlichen Positionierungen der Kameras an Dach oder Kotflügel sind zumindest etwas diskussionswürdig. Praktisch und innovativ zugleich ist die zweigeteilte Mittelkonsole mit Ablage und kabelloser Ladefunktion für ein Smartphone sowie einfach zu handhabenden Schalthebel für die Fahrautomatik (siehe Foto) im oberen Teil der Mittelkonsole und einer darunter liegenden Ablage für Brillenetui, Portemonnaie oder Reiseführer.
Insgesamt lässt sich der Nio sehr angenehm fahren. Auch wenn er für den Stadtverkehr (besonders in engeren Straßen) etwas zu breit wirkt. Ähnlich wie bei der E-Limousine VW ID.7 lässt sich auch aus dem Fahrzeuginneren des ET5 Touring nicht ohne Weiteres skalieren, wie breit und lang das Fahrzeug ist. Auf Langstreckenfahrten über Landstraßen oder die Autobahn spielt der E-Kombi hingegen seine komfortablen Qualitäten tadellos aus. Er bietet eine hohe Laufruhe, liegt verlässlich auf der Straße und bietet eine gute Kurvenlage. Zudem kann er bei Bedarf auch mit einem sportlichen Antritt überzeugen. Hierfür stehen insgesamt 360 kW (490 PS) zur Verfügung. Diese bringt der Allradantrieb nach einem Tipp auf das Gaspedal umgehend auf die Straße.
Etwas störend ist aber, dass der Wagen Fahrbahn-Unebenheiten spürbar ins Fahrzeuginnere überträgt. Fahrten über Kopfsteinpflaster, löchrigen Asphalt oder unbefestigte Wirtschaftswege sorgen dank der guten Sitzfederungen jedoch nicht für durchgerüttelte Passagiere. Der Eindruck, dass der Untergrund draußen aber etwas holperig ist, geht hingegen an den Fahrenden auch nicht ganz unbemerkt vorbei.
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Smarte Steuerung und App-Funktionen
Das Bediensystem im Nio ist nicht immer intuitiv. Auch wenn wesentliche Funktionen schnell über die zentrale Steuerung via 12-Zoll-Touch-Display (im Hochkantformat) zu erreichen sind. Das System bietet eine etwas tiefe Menüstruktur, in der man sich schnell auch mal “verklickt”. Gewöhnungsbedürftig sind auch einige Einstellungen. Zum Verstellen der Außenspiegel muss man beispielsweise zunächst den entsprechenden Punkt um Menü auswählen, diesen aktivieren und kann dann erst die exakte Ausrichtung über Universal-Tasten am Lenkrad vornehmen. Immerhin lassen sich alle Einstellungen wie die Sitzposition oder die Lenkradhöhe über das Wagen-eigene System abspeichern.
Einen guten Dienst im Test erledigte die Echtzeitnavi im Fahrzeug. Der Navigationsanbieter hier ist Telenav (basierend auf HERE Technologies, inklusive vierteljährlichen Karten-Updates).
Als durchaus praktisch erwies sich im Test die ausgereifte Sprachsteuerung. Mit dem Befehl “Hey Nomi” können Fenster geöffnet oder geschlossen, die Sitz- oder Lenkradheizung zu- oder abgeschaltet oder eben eine Routennavigation gestartet werden.
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Akku-Miete oder -Kauf: Du musst Dich entscheiden
Wie oben bereits erwähnt, zeichnet sich der Nio durch ein Alleinstellungsmerkmal aus. Beim Kauf des Fahrzeugs kann zwischen Batterie-Miete oder Batterie-Kauf gewählt werden. IMTEST hat den E-Kombi in der Ausstattungsvariante mit Long Range Batterie (100 kWh) getestet. Für diese Akkugröße liegen die monatlichen Mietkosten bei 289 Euro pro Monat, 21.000 Euro kostet der Batterie-Kauf. Ein Vorteil der Batterie-Miete (“Battery-as-a-Service, BaaS”) soll laut Nio der einfache und schnelle Tausch der leeren Batterie gegen eine geladene an einer Power Swap Station sein.
Nio will diese Infrastruktur in den nächsten Jahren europaweit weiter ausbauen. Derzeit gibt es lediglich 43 solcher Power Swap-Stationen zwischen Norwegen und Deutschland. Bis es aber ein weitestgehend flächendeckendes Netz an solchen Batterie-Tausch-Stationen gibt dürfte noch längere Zeit vergehen. Darüber muss sich aber niemand grämen: Der ET5 Touring (maximale Ladekapazität des Testwagens: 180 kW) kann aber in rekordverdächtigem Tempo an einer Schnellladesäule aufgeladen werden. IMTEST ermittelte für Ladevorgänge (von 10 Prozent bis 80 Prozent Ladeleistung) an einer 150 kW-Säule Zeiten, die deutlich unter 30 Minuten lagen.
Auch die Reichweiten, die der E-Kombi auf diversen Teststrecken erzielte, sprechen für sich. Im Stadtverkehr waren problemlos deutlich über 400 Kilometer mit einer Ladung möglich. Bei Pedel- und Autobahnfahrten reichte die Batterie verlässlich auch an die 400-km-Marke heran.
Alles Kombi: So viel Platz bietet der Nio ET5 Touring
Als einer der ersten für Deutschland verfügbaren E-Kombis, will der ET5 Touring mit viel Platz für Gepäck oder Einkäufe glänzen. Im Kofferraum selbst stehen 450 Liter Ladevolumen zur Verfügung. Werden die Rücksitze umgeklappt und auch der Platz unter der Bodenklappe im Kofferraum mitgenutzt, fasst der Nio bis zu 1430 Liter Lade-Volumen. Soll außerdem mehr mit dem ET5 Touring transportiert werden, kann optional eine elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung erworben werden, Diese verspricht eine Anhängelast von 1400 Kilogramm für den E-Kombi.
Fazit
Auch wenn der Nio ET5 Touring sich dank seines schicken und sportlichen Auftritts nicht sofort als Kombi zu erkennen gibt, kann er doch gerade in diesem Segment punkten. Er bietet einen großen Stauraum, sehr viel Kopf- und Beinfreiheit – gerade im Cockpit. Und nimmt auf der Rückbank auch problemlos größere Passagiere auf, die weder mit den Beinen an weit zurückgeschobene Fahrersitze stoßen noch sich nebeneinander drängeln müssen. Einzig durch die, nach hinten hin abgeflachte, Bauweise des Fahrzeugs und durch das große Panoramadach (serienmäßig an Bord) stoßen Mitfahrende, die an die 1,90 m heranreichen mit dem Kopf (leicht) an.
Zusammenfassung der Testergebnisse
- Grundausstattung & Connectivity (23%): gut (2,0)
- Fahrunterstützung & Sicherheit (12%): gut (1,6)
- Praxistest: Akku, Reichweite & Ladedauer (27%): gut (2,3)
- Praxistest: Fahreindruck (25%): gut (1,8)
- Service & Umwelt (13%): gut (2,3)
- PRO
- sehr schnelles Ladetempo, passable Reichweite, innovative Batterie-Miete, teils hochwertig verarbeitete Komponenten, hoher Fahrkomfort
- KONTRA
- teils etwas “verwinkelte” Benutzerführung über das zentrale Display, Fahrzeug wirkt etwas zu breit und lang, zu hoher Kauf-Preis
IMTEST Ergebnis:
gut 2,0