Vor ziemlich genau 10 Jahren sah ich auf meiner Laufstrecke regelmäßig Soldaten, die mit schweren Rucksäcken Kilometer um Kilometer gingen. In den Rucksäcken waren schwere Gewichte, Frauen wie Männer atmeten schwer, überall waren in regelmäßigen Abständen Versorgungsstationen aufgebaut, an denen Getränke und Snacks geboten wurden. Gerade im Sommer empfand ich dieses Soldatentraining als unmenschlich. Die Uniformen komplett durchgeschwitzt, hochrote Gesichter, kurz vorm Kollaps. Der Weg zur nahegelegenen Kaserne war für viele nach dem Training nur noch per Shuttle möglich. Damals dachte ich jedoch auch: Eigentlich ein cooles Training, vielleicht nicht gerade bei über 30 Grad im Schatten. Inzwischen hatten wohl auch andere meinen Gedanken, und nennen den Sport „Rucking“.
Gewichtsverteilung und Cardio-Training
In den USA trainieren Soldaten ebenso mit Gewichtsrucksäcken. Dort hat es sogar angeblich seinen Ursprung. Rucking soll die Ausdauer, aber auch die Muskulatur verbessern. Und genau darauf kommt es bei langen Märschen beim Militär an. Ein besseres Muskeltraining gibt es kaum, da ein Rucksack einen entscheidenden Vorteil hat: Er verteilt das Gewicht gleichmäßig über dem Rücken. Also dort, wo wir ergonomisch am meisten Körperfläche zu bieten haben. Das schont die Gelenke, Knochen, Sehne und Muskelgruppen. Wer in der Lage ist zu joggen, kann grundsätzlich sofort mit dem Rucking als Alternative zum Laufen starten. Und es ist wirklich ein sehr guter Ausgleich zum Lauftraining, wenn man auf die Herzfrequenz achtet. Man ist natürlich deutlich langsamer als beim Joggen, aber die Beanspruchung ist hoch. Was wie eine Wanderung mit einem schweren Rucksack aussieht, ist in Wahrheit – je nach Strecke – Hochleistungssport. Und das Herz hat ordentlich Arbeit. Wer es sportlich sieht, sollte sich Wasser und etwas Nahrung mit in den Rucksack packen, denn es besteht in der Tat die Gefahr des Dehydrierens. Zudem braucht der Körper bei einem langen Training Energie. Schliesslich verbraucht man alleine bei einer kurzen Strecke Rucking in normalem Gehtempo doppelt so viele Kalorien wie beim Gehen ohne Rucksack.
Achtsam aber knackig
Gut ist: Wer Rucking ausprobieren möchte, ist besser dran als die Soldaten. Diese müssen ran, wir Hobbysportler dürfen. Warum also nicht Naturerlebnis und hartes Training miteinander verbinden? Das Tempo können wir selbst bestimmen, die Distanz ebenfalls, auch das Gewicht des Rucksacks ist alleine unsere Entscheidung. Das Wandern ist längst als Trend zurück, und auch sehr junge Zielgruppen entdecken es gerade wieder für sich. Das Rucking kann einfach die Steigerung einer Wanderung sein, damit tun wir automatisch noch etwas für unsere mentale Gesundheit. Wissenschaftler sprechen davon, dass alle die, die regelmäßig in der Natur sind, seelisch deutlich gesünder sind. Also hat das Rucking nicht nur positive Effekte auf unseren Körper, es tut auch der Psyche gut. So bietet es die Möglichkeit, achtsam mit sich zu sein, wer mag kann jedoch auch richtig zulangen. Ich habe damit vor einigen Wochen begonnen, und stelle fest: Mein Laufen ist dadurch deutlich besser geworden.
Laufen 2024: Warum der Equipment-Fetisch so wichtig ist
Wer denkt, dass man zum Laufen einfach nur eine Hose, ein Shirt und ein paar Laufschuhe braucht, der irrt gewaltig.
Mehr Stabilität
Ein wichtiger Aspekt pro Rucking ist, dass nahezu der ganze Körper trainiert wird. Gerade der Rücken ist bei vielen Langstreckenläufern ein Problem. Wer je einen Marathon gelaufen ist weiss, dass der Rücken mehr und mehr einknickt. Auf einer langen Strecke setzt spätestens ab Kilometer 30 die Ermüdung ein. Die Beine schmerzen und werden müde, der Rücken ist
deutlich runder als nach dem Start, oft schmerzt er. Dies ist schlicht ein Zeichen für zu wenig Muskulatur, die mit dem Rucksack sehr gut aufgebaut werden kann. Ebenso werden Bein und Bauchmuskulatur gefordert, alles Faktoren, die dem Körper Stabilität verleihen. Wer stabiler ist, läuft besser. Diese sehr einfache Formel stimmt immer. Deshalb: Wer beim Laufen seine Leistung steigern will, schnappt sich schon morgen den Rucksack, etwas zu trinken, Nahrung und dann: Ab in die Natur.