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Balkonkraftwerk-Wechselrichter-Rückruf: Das müssen Sie wissen

IMTEST gibt Tipps, was Nutzende jetzt tun sollten.

Kabel werden am Wechselrichter des Balkonkraftwerks angestöpselt.
© IMTEST

Bereits im Juni warnte die Bundesnetzagentur vor Mängeln bei Balkonkraftwerk-Wechselrichtern. Es hieß, einige Sicherheitsstandards und Normen seien nicht erfüllt und die Geräte daher in der EU nicht verkehrsfähig. Jetzt wurden weitere Auffälligkeiten festgestellt, die sogar zum Rückruf einiger Wechselrichter-Modelle führten. Darunter fallen auch Geräte der beliebten Balkonkraftwerk von Anker und GreenAkku.
Was genau es damit auf sich hat und welche Modelle betroffen sind, hat IMTEST zusammengestellt.



Update vom 19. September: Bosswerk zieht mit Lösung nach

Auch der deutsche Hersteller Bosswerk arbeitet bei einigen Produkten mit Deye zusammen. Dadurch trat bei diesen Wechselrichtern ebenfalls die Problematik der fehlenden Relais auf. Jetzt kündigte Bosswerk aber an, endlich auch eine Lösung für die betroffenen Kundinnen und Kunden gefunden zu haben. Ebenso, wie Deye selbst, gibt es jetzt auch für Bosswerk-Wechselrichter ein sogenanntes Nachrüst-Kit. Wer also einen BW-MI300 oder BW-MI600 für das eigene Balkonkraftwerk nutzt, sollte sich auf der extra eingerichteten Webseite den Zusatz-Schutz nachbestellen.

Das Nachrüst-Kit von Bosswerk mit allen Einzelteilen.
Mit diesem Zusatz-Bauteil sollen jetzt auch die betroffenen Bosswerk-Wechselrichter nachgerüstet werden können. © Bosswerk

Dafür sollen Nutzende im Bestellformular als Modell “SUN300/500/600/800/1000G3-EU-230” auswählen, um die richtige, externe Relais-Box für die Bosswerk-Wechselrichter zu erhalten. Außerdem verspricht der Hersteller bei Nachrüstung eine zusätzliche Garantieverlängerung von 10 auf 15 Jahre, die nicht extra beantragt werden muss.

Das Problem der Wechselrichter

In den problematischen Balkonkraftwerk-Wechselrichtern fehlt ein sicherheitsrelevantes Bauteil. Dieses Relais ist eine Art Notschalter, der sowohl dem Netz- und Anlagenschutz, auch als NA-Schutz abgekürzt, als auch dem Personenschutz dient. Die Aufgabe des Schalters ist es nämlich, den Wechselrichter sofort abzuschalten, sobald der Stecker aus der Steckdose gezogen wird. Sonst besteht die Gefahr eines Stromschlags, falls die Stecker-Kontakte berührt werden. Auch, wenn es zu großen Schwankungen im Netz kommt, soll ein Relais eine automatische Abschaltung bewirken, damit der Wechselrichter nicht beschädigt wird.

Ein geöffneter Wechselrichter von Deye mit Einzeichnungen auf der Platine, aber ohne Relais.
Über der Spule sind hier zwar Markierungen für Relais vorgesehen, aber auf der Platine des Wechselrichters sind keine verbaut. © Jens-Peter Eufinger/VoltAmpereLux

Allerdings scheint von den betroffenen Wechselrichtern dennoch keine Gefahr auszugehen. Zwar wurde nachgewiesen, dass das Bauteil in Geräten verschiedener Hersteller fehlt, dennoch scheinen diese einwandfrei zu funktionieren. Das Relais wäre demnach nur nötig, wenn die installierte Abschaltautomatik ausfällt. Dafür spricht auch, dass bisher noch keine Fälle von Personen- oder Sachschäden bekannt geworden sind, die durch die fehlerhaften Produkt verursacht wurden.

Da diese zweite Sicherung aber in der VDE-Norm VDE-AR-N 4105 vorgeschrieben ist, auf die sich die Zulassung von Produkten in der Deutschland stützt, dürfen Wechselrichter ohne Relais hier dennoch nicht verkauft werden. Auch die Betriebserlaubnis der fehlerhaften Anlagen ist dadurch erloschen, sodass Balkonkraftwerke mit betroffenen Wechselrichtern sofort vom Netz genommen werden müssen.
Durch die vorgesehene Markierung auf den Platinen, ohne dass das Relais tatsächlich eingebaut wurde, stehen zudem Betrugsvorwürfe im Raum. Demnach könnte es sein, dass Hersteller gezielt nur einzelne Wechselrichter mit den entsprechenden Relais ausgestattet haben, um die Vertriebs-Zulassung zu erhalten. In der Serienproduktion seien diese dann aber weggelassen worden. Bestätigt sind diese Anschuldigungen aber nicht.

Diese Wechselrichter sind betroffen

Verschiedene Hersteller und Händler von Balkonkraftwerken sind bezüglich der fehlerhaften Wechselrichter im Internet im Gespräch. Darunter fallen zum Beispiel Deye, Anker, Aldi, Wattmeister, Bosswerk und Tsun.

Bei Deye wurden die fehlenden Relais für fünf Modelle nachgewiesen: Sun 300, Sun 600, Sun 800, Sun 1600 und Sun 2000. Hierbei handelt es sich um die preisgünstigeren Modelle von Deye. Andere Produktlinien sollen hingegen nicht betroffen sein.

Auch beim Discounter-Balkonkraftwerk “Plug & Play”-Balkonkraftwerk SP 175/350 Wp der Firma Solovoltaik besteht die Relais-Problematik. Daher gibt es hier einen Rückruf durch die Discount-Einzelhandelskette Aldi Nord – vor allem für Produkte, die zwischen dem 01.06. und 03.07.2023 gekauft wurden.

Ein Mann betrachtet sein Balkonkraftwerk, das am Balkongitter befestigt ist.
Auch das Solovoltaik-Balkonkraftwerk SP 175/350 Wp ist mit einem fehlerhaften Wechselrichter ausgestattet. Der Hersteller startete daher über Aldi Nord eine Rückruf- beziehungsweise Tausch-Aktion. © Aldi Nord

Auch Anker hat den 600-Watt-Wechselrichter “MI60” zurückgerufen, da dort ebenfalls das Bauteil fehlte. Der 800-Watt-Wechselrichter sei aber nicht betroffen, betont der Hersteller.

Von Wattmeister und Bosswerk entsprechen wohl zumindest einige Modelle nicht der Norm, zum Teil wurde hier aber schon nachgebessert, erklären die Hersteller.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Liste in den kommenden Wochen nach weiteren Überprüfungen noch verlängern wird.

Tsun erklärte hingegen, dass ihre Wechselrichter von diesem Fehler nicht betroffen seien. Sie waren wohl fälschlicherweise in die Diskussion geraten, da es auch bei Ihnen Schwierigkeiten mit der für die Überprüfung zuständigen Bundesnetzagentur gab. Diese seien aber nicht auf die Relais-Problematik zurückzuführen und zudem bereits behoben.

Vorgeschlagene Lösungen

Da betroffene Balkonkraftwerke also nicht weiter betrieben werden dürfen, ist schnelles Handeln der Hersteller notwendig. Viele Nutzende können ihre Anlagen sonst gar nicht weiterverwenden. Einige Lösungen sind daher bereits vorgestellt worden:

Nachrüsten

Deye hat zum Beispiel ein zusätzliches Bauteil entwickelt: die externe Relaisbox “Sun-Mi-Relay-01”. Die fehlenden Komponenten werden somit für den Wechselrichter nachgerüstet, sodass bestehende Balkonkraftwerke mit diesem Zusatz wieder betrieben werden können. Sowohl der TÜV als auch das Prüfinstitut Intertek sollen die Relaisbox bereits zertifiziert haben, womit sie eine legitime Lösung darstellen, um den erforderlichen Schutz nachzurüsten.

Kundinnen und Kunden können die Relaisbox beim Deye-Support per E-Mail (support@deye.solar) anfordern. Nach Erhalt sollen sie es zudem ganz einfach selbst installieren können, da es lediglich zwischen Wechselrichter und Stromanschluss gesteckt werden muss.

Ein Wechselrichter von Deye links und das Zusatz-Bauteil mit Relais rechts.
Der Hersteller Deye löst das Problem der fehlerhaften Wechselrichter durch ein zusätzliches Bauteil, das das fehlende Relais nachrüstet. © Deye

Austauschen

Andere Hersteller bieten ihren Kundinnen und Kunden hingegen an, die fehlerhaften Wechselrichter kostenlos gegen ein anderes Modell mit Relais auszutauschen. Dazu gehören derzeit Anker und Solovoltaik, bei denen ein Tausch-Wechselrichter ganz einfach angefordert werden können soll. Solovoltaik hat dazu auf der Webseite ein spezielles Kontakt-Formular für den Tausch eingerichtet. Dort müssen einige Personendaten, Informationen über das Balkonkraftwerk und ein Kaufbeleg eingetragen werden. Außerdem gibt es auf der Seite auch eine Anleitung, mit welchen Schritten der neue Wechselrichter einzurichten ist.

Bei Anker sucht man auf der Webseite hingegen vergeblich nach Hinweisen zum Tausch-Verfahren. Laut Hersteller wurden alle Kundinnen und Kunden proaktiv per E-Mail angeschrieben, für die die Tausch-Aktion relevant ist. Sollte das nicht der Fall sein, beschreibt der Anker-Blog, dass eine E-Mail an den Hersteller (support@anker.com) mit vollständigem Namen, E-Mail-Kontakt und Post-Adresse der Kundin oder des Kunden ausreicht. Danach sollen diese einen neuen MI80-Wechselrichter erhalten, der sämtlichen Sicherheitsanforderungen entspreche. Innerhalb von 30 Tagen soll zudem der nicht-normkonforme Wechselrichter kostenlos an Anker zurückgeschickt werden.
Ein weiterer Vorteil des kostenlosen Tauschs: der neue Wechselrichter ist im Gegensatz zum MI60 Update-fähig – kann also auf 800 Watt Ausgangsleistung hochreguliert werden, sobald das in Deutschland erlaubt wird.

Wer einen Wechselrichter einer anderen Marke besitzt, der ebenfalls nicht der Norm entspricht, sollte sich mit dem Hersteller und/oder dem Händler in Verbindung setzen. Da nicht alle Anbieter eine geordnete Tausch-Aktion oder eine Bauteil-Lösung anbieten, ist hier der direkte Weg für jeden Einzelfall nötig.

Alle Besitzerinnen und Besitzer von Balkonkraftwerken sollten zudem Nachrichten zu Wechselrichtern und Rückruf-Aktionen im Blick behalten. Expertinnen und Experten vermuten, dass noch weitaus mehr Hersteller und Händler von dieser Nonkonformität mit der VDE-Norm betroffen sind, als aktuell bekannt ist. Über Neuerungen hält IMTEST natürlich auf dem Laufenden.



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Autorinnen-Foto von Dr. Lotta Kinitz in Farbe.

Dr. Lotta Kinitz schloss 2016 ihren Bachelor of Science an der HAW Hamburg ab. Anschließend absolvierte sie in Bonn den Master in Lebensmitteltechnologie und promovierte im Fachbereich für Haushaltstechnik. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über mögliche Verbesserungen der Norm zur Prüfung von Geschirrspülmaschinen, um diese relevanter für Verbraucherinnen und Verbraucher zu machen.

Bei IMTEST ist sie seit 2022 ebenfalls vor allem dafür zuständig, dass unsere Produkttests wissenschaftlich, aber auch nachvollziehbar und relevant ablaufen. Dabei testet sie selbst mit Vorliebe alles, was im Haushaltsbereich zu finden ist: Von Küchenmaschinen, über Saugroboter und andere ‚smarte‘ Home-Geräte bis hin zu Waschtrocknern, Backöfen und Kaffeevollautomaten kommt bei ihr alles unters kritische Prüferinnen-Auge. Um stets auf dem Laufenden über Neuerungen zu bleiben, ist sie zudem Mitglied des Fachausschusses für Haushaltstechnik in der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft.

Ihre Ausbildung sowie ihre derzeitige, nebenberufliche Tätigkeit als Lehrbeauftrage für Haushaltstechnik und Physik an der HAW Hamburg geben ihr zudem die Grundlage für die Position der IMTEST-Expertin für Energiethemen, wie Balkonkraftwerke und mobile Powerstations.