Das EU-Parlament will Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor gefährlichen Produkten schützen. Das Problem: Nicht überall auf der Welt gelten dieselben Sicherheitsstandards, zum Beispiel wenn es um Chemikalien geht. Deshalb kommt es vor allem bei Produkten, deren Fertigung, Hersteller und Vertrieb außerhalb der EU sitzen immer wieder zu Warnungen und Rückrufaktionen. Besonders häufig liegen dabei chinesische Produkte im Fokus. Sie machen rund 50 Prozent der Rückrufe aus, wie aus dem Jahresbericht der EU-Marktaufsichtsbehörde hervorgeht.
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Neue Verordnung für mehr Produktsicherheit im Online-Bereich
Unter den gefährlichen, juristisch als “nicht konform” bezeichneten Produkten ist zum Beispiel ein Sofa, das aggressiven Hautausschlag verursacht, da es mit giftigen Chemikalien gefärbt wurde. Ebenso findet sich darunter scharfkantiges Kinderspielzeug. Um zu verhindern, dass solche Waren künftig überhaupt noch den Weg in die EU finden, hat das EU-Parlament am 30. März eine neue Verordnung zur Produktsicherheit verabschiedet. Im Kern geht es darum Onlinehändler stärker in die Pflicht zu nehmen, vor allem, wenn sie Waren aus Drittstaaten anbieten.
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Onlineshops schützen ihre Kunden nicht immer ausreichend.
Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung seien Hersteller verpflichtet, eine verantwortliche Person für jedes Produkt innerhalb der EU zu benennen, so Marion Walsmann (CDU, EVP) in einem Pressegespräch. Der oder die Verantwortliche soll im Zweifelsfall auch juristisch für Mängel und Gefahren belangt werden können, etwa wenn ein Produkt Giftstoffe aufweist. Die zuständigen Personen sollten daher von vornherein auch überprüfen, ob ein Produkt überhaupt den europäischen Standards entspricht, also beispielsweise mit einer Bedienungsanleitung und Sicherheitshinweisen ausgestattet ist. Dabei ginge es um nicht weniger als die “Gesundheit und Sicherheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger”, so Walsmann.
Kein Produkt ist ausgenommen
Wichtig ist dabei auch, dass die neue Verordnung für alle Produkte gelten soll, auch für sogenannte “nicht harmonisierte” Produkte wie Kugelschreiber und Möbel. Deren Sicherheitsbestimmungen waren bislang kaum geregelt. Kinderbetten seien derzeit weniger geschützt als Puppenbetten, kritisiert Walsmann im Gespräch. Die nun verabschiedete Verordnung soll nun die bisherige – “vage” – Richtlinie aus dem Jahr 2001 ersetzen. Letztere sei “echt modernisierungsbedürftig” gewesen. Der Onlinehandel sei darin kaum erfasst gewesen, jedoch shoppen nach Schätzungen der europäischen Marktaufsichtsbehörden rund 70 Prozent der EU-Bürgerinnen und Bürger im Internet. Entsprechend wird es hier höchste Zeit für verbindliche Regeln, findet auch René Repasi (SPD, S&D).
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EU-Verordnung statt -Richtlinie
Um sicherzugehen, dass die neuen Regeln auch konsequent umgesetzt werden, wird die alte Richtlinie, die grundsätzlich nur eine grobe Richtung vorgibt, durch eine Verordnung ersetzt. Diese gilt dann unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Sie ist dabei rechtlich verbindlich und regelt unter anderem, wie Onlinemarkplätze reagieren müssen, wenn ein gefährliches oder nicht-konformes Produkt in ihrem Sortiment auftaucht. In diesem Fall wären die Händler verpflichtet, den Zugang zum entsprechenden Produkt binnen zwei Tagen zu sperren oder das Angebot zu entfernen. Sie müssen zudem eine zentrale Anlaufstelle bereitstellen und Rückrufe nach konkreten Kriterien eigenständig veröffentlichen. Dazu soll auch das Meldesystem der EU für gefährliche Produkte “Safety Gate” modernisiert werden, so die Abgeordneten. Für Onlinehändlern soll die eigene Produktüberwachung leichter werden, gleichzeitig werden sie aber auch stärker in die Pflicht genommen.
Konsequenzen für Händler
Wenn ein Produkt als nicht konform erkannt wurde, müssen die Händler laut der neuen Verordnung mindestens zwei Optionen anbieten, um, Verbraucher zu entschädigen. Möglich sich dazu die Reparatur des Produkts, Kostenerstattung, mindestens im Rahmen des Kaufpreises oder Ersatz. Die neue Regelung soll auch über die zwei Jahre hinaus gelten, in denen Hersteller ohnehin eine gesetzliche Gewährleistung anbieten müssen.
Der Haken an der Sache ist das Strafmaß
Produkte im Online-Shopping sollen mit der neuen Verordnung Sicherheitsstandards bekommen. Was aber, wenn sich ein Unternehmen nicht an die Regeln hält? Das bleibt nach wie vor eine Frage des nationalen Rechts. Zwar haben sich die EU-Mitgliedsstaaten bereits auf die Produktstandards geeinigt. Jedoch bestehen viele Mitgliedsstaaten nach wie vor darauf, das Strafmaß selbst zu regeln.
Der EU-Abgeordnete Repasi begründet das mit der teilweise starken Unterbesetzung nationaler Marktaufsichtsbehörden. Diese könnten gar keine so konsequente Überwachung leisten, wie sie die Abgeordneten Walsmann und Repasi fordern. In der Praxis könnte das bedeuten: Wenn ein Mitgliedsstaat bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung keine oder nur geringe, strafrechtliche Konsequenzen für den Verkauf gefährlicher Produkte vorsieht, verstößt ein Händler mit solchen Waren zwar gegen das EU-Recht, muss aber trotzdem im jeweiligen Mitgliedsstaat keine oder kaum Strafen fürchten.
Das können Betroffene tun
Die neue Verordnung sieht daher eine zusätzliche Möglichkeit vor, mit der sich Verbraucherinnen und Verbraucher gegen mangelhafte oder gefährliche Produkte wehren können: die Sammelklage. Sie soll auch dann möglich sein, wenn Händler oder Hersteller außerhalb der EU involviert sind. Damit bleibt die Verantwortung in großen Teilen bei den Geschädigten, selbst wenn die Abstimmung zur neuen Produktsicherheitsverordnung positiv ausfällt.
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Immerhin sollen Betroffene durch die Modernisierung des Warnsystems Safety Gate aber verlässlicher Informationen zu Produktwarnungen bekommen. In der Vergangenheit hatte rund ein Drittel der EU-Bürgerinnen und Bürger Produkte trotz bestehender Warnungen genutzt. Das ergibt sich aus dem Jahresbericht der europäischen Marktaufsichtsbehörde. Auch die Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden innerhalb der EU soll dazu besser werden. Am Ende soll es “bei der Produktsicherheit keine Rolle mehr spielen”, ob Konsumentinnen und Konsumenten ein Produkt “im Geschäft an der Ecke oder im Internet” kaufen, wünscht sich Walsmann. Die neue Verordnung könnte dazu ein erster Schritt sein. Denn sie ermöglicht Geschädigten zumindest, sich selbst gegen schädliche Produkte zur Wehr zu setzen.
Nach der jüngst erfolgten, erfolgreichen Abstimmung im EU-Parlament haben die Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, die Verordnung national umzusetzen. Dazu gehört beispielsweise, dass sie Strafen für Verstöße festlegen. Wirksam ist die neue Produktsicherheitsverordnung dann voraussichtlich ab Dezember 2024.
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