Wer erstklassigen Espresso liebt, aber den Aufwand der klassischen Zubereitung scheut, steckt in einem Dilemma. Kaffeevollautomaten versprechen zwar besten Espresso und andere Kaffeegetränke, sind bei ambitionierten Hobby-Barista aber immer ein bisschen verpönt. Denn in dieser Szene ist die Kunst der richtigen Zubereitung eine Voraussetzung für erstklassige Qualität. Denn dabei kommt es auf die perfekte Kombination aus Bohnenqualität, Röstung, Mahlgrad, Menge und Temperatur an – und die kann keine Maschine selbstständig herausfinden.
Handarbeit mit Siebträgermaschinen
Wer eine Siebträgermaschine ins Auge fasst, muss zwangsläufig mehr Handarbeit in Kauf nehmen als bei einem Kaffeevollautomaten. De’Longhi hat sich im Sommer 2021 an die Quadratur des Kreises gewagt und mit der „La Specialista Maestro“ eine Siebträgermaschine auf den Markt gebracht, die fast so bequem wie ein Vollautomat funktionieren soll. Seit dem 1. März dieses Jahres ist „Arte“, der jüngste Sproß der La-Specialista-Familie, von De’Longhi erhältlich und rückt als günstiges Einsteigergerät wieder stärker in Richtung klassischer Siebträgermaschinen. IMTEST hat sich beide Geräte genau angeschaut und zeigt im Test, wo die Vor- und Nachteile liegen.
La Specialista Maestro: Der Siebträger-Vollautomat
Das Flaggschiff der La-Specialista-Serie ist die „Maestro“. Wie bei allen Maschinen der Serie ist ein Mahlwerk integriert. Der Siebträger wird darunter eingespannt und dann automatisch mit einer vorher eingestellten Menge frisch gemahlenem Kaffepulver befüllt. Die in der Mühle der Maestro integrierte technische Innovation ist eine halbautomatische Tamper-Station. Tampern bezeichnet bei der Espressozubereitung die Verdichtung des Kaffeepulvers im Siebträger. Normalerweise geschieht dies mit Hilfe eines runden Metall-Stempels, der von Hand auf das Pulver gedrückt wird. Bei der Maestro geschieht dies eben durch den in der Mühle integrierten Tamper, der per Hebel direkt nach dem Mahlen heruntergedrückt wird und das Pulver sofort verdichtet. Der vielleicht größte Vorteil: Man sieht nichts, und es krümelt nichts. Das „Hebeln“ funktioniert zudem sehr einfach. Allerdings ist darum auch kaum abschätzbar, ob der von Barista empfohlene Druck von 15 bis 20 Kilo auch tatsächlich ausgeübt wird. Das Ergebnis sieht aber immer recht überzeugend aus:
Anders als bei einem Vollautomaten muss der Siebträger danach wie bei einer klassischen Espressomaschine per Hand unter die Brüheinheit gespannt werden. Der Brühvorgang startet dann nach Auswahl der Getränkeart wie gewohnt per Knopfdruck.
Vielfalt und Komfort eines Vollautomaten
Die Vielfalt der Getränkeauswahl ist es auch, die bei der Maestro wieder sehr stark an einen Vollautomaten erinnert. Insgesamt sechs verschiedene Kaffeespezialitäten von Espresso bis Latte Macchiato sind per Drehrad sofort wählbar. Möglich wird das nur, weil die Maestro neben einer klassischen Dampf-Düse auch eine automatisierte Milchschaum-Düse bietet. Bis zu 375 Milliliter Milch fasst die Edelstahlkanne, die, mit einem Tüllen-Aufsatz verschlossen, direkt an den passenden Ansaugstutzen neben dem Auslass angedockt wird. Bei Auswahl eines Milchkaffee-Getränks zieht die Maschine dann automatisch zuerst Milch ein und füllt sie geschäumt in den Becher oder das Glas und brüht anschließend den Espresso.
Per Drehregler an dem Aufsatz ist die Schaummenge einstellbar. Die Milchschaummenge und -qualität ist auch immer von der verwendeten Milch abhängig, im Praxistest gelang allerdings in allen Einstellungen nur mittelmäßiger Schaum: Die Menge war auch auf höchster Stufe nicht besonders groß und die Konsistenz vergleichsweise schwach und etwas grobporig. Wer im Umgang mit der Dampfdüse geübt ist, dürfte hier deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Allerdings muss man dann wieder selbst aktiv werden. Außerdem ist dann der manuelle Wechsel in den Dampf-Modus nötig. Dies geschieht per Drehregler an der rechten Geräteseite und erfordert auch etwas Geduld, bis die Düse dann tatsächlich einsatzbereit ist.
La Specialista Arte: Puristischer Kaffeegenuss
Die La Specialista Arte verzichtet auf fast alle technischen Rafinessen und Spielereien. Statt des halbautomatischen Tamper-Hebels liegt der Maschine zum Beispiel ein klassischer schwerer Metallstempel zusammen mit einer kleinen Gummi-Unterlage als Tamper-Matte bei. Das Mahlwerk funktioniert ähnlich wie bei der Maestro, außer dass der Sieberträger dort nicht eingespannt sondern nur darunter eingehängt wird. Der Mahlvorgang startet hier durch einen leichten Stoß des Siebträgers gegen den hinten in der Aufhängung eingebauten Druckschalter. In Der Kaffeekenner-Szene nennt man den verdünnten Espresso dann Americano.
Der im Vergleich abgespeckte Aufbau der Arte setzt sich weiter fort. So stehen beispielsweise nur drei verschiedene Getränke zur Auswahl. Genau genommen sind es nur zwei: der Espresso aus der Brüheinheit und heißes Wasser aus einer separaten Düse. Die dritte Getränkeeinstellung kombiniert die beiden zu einem verlängerten Espresso.
Auch die automatische Milchschäum-Einheit fehlt bei der Arte. Wer mit ihr Milchkaffee-Spezialitäten zubereiten möchte, kommt nicht darum herum, den Umgang mit der eingebauten Dampf-Düse zu erlernen. Wer das nicht kann oder möchte, sollte am besten gleich zu einem separaten Milchaufschäumer greifen. Das hat darüber hinaus den Vorteil, dass beider Komponenten – Milchschaum und Kaffee – parallel zubereitet werden können. Außerdem entfällt so die auf Dauer doch immer lästige und aufwendige Reinigung der Milchschaum-Einheit bei Automaten.
Milchaufschäumer im Test: So gut sind die Schaumschläger
Antihaft-beschichtete Milchaufschäumer sollen eine perfekte Konsistenz liefern. IMTEST hat fünf Modelle geprüft.
La Specialista: Guter Espresso garantiert
Abseits von allen technischen Spielereien drängt nur eine Frage: Können die Maschinen erstklassigen Espresso zubereiten. Die kurze Antwort für beide lautet: ja, sie können. Wer es aber wirklich darauf anlegt, kommt nicht darum herum, mit den Eingangs genannten Parametern herumzuexperimentieren. Beide Maschinen erlauben akzeptabel differenzierte Mahlgrad- und Temperatureinstellungen einfach und selbsterklärend. Ebenfalls empfehlenswert ist zudem die Einstellung der Maschine auf den lokalen Wasserhärte-Grad. Zur Feststellung legt De’Longhi den Maschinen extra einen Indikator-Streifen zum Testen der Wasserhärte bei und erklärt die Einstellung verständlich in der Bedienungsanleitung. Zu guter Letzt kommt es aber vor allem auf die verwendeten Kaffeebohnen an. Denn auch die beste Maschine, das perfekte Mahlwerk und die feinsten Einstellungen können nur das aus der Kaffeebohne herausholen, was in ihr steckt. Und darauf kommt es am Ende an.
FAZIT
Den Testparcour verlassen beide Maschinen gleichauf mit einer guten Gesamtnote. Mit einer guten Bohne im Mahlwerk gelingt beiden Maschinen ein sehr guter Espresso – wenn man sich die Mühe macht und die Einstellmöglichkeiten auch wirklich nutzt. Wer die Wahl hat, kann sich an individuellen Bedürfnissen in Bezug auf die Funktionalität oder ganz einfach am Budget orientieren, denn die Maestro ist mehr als doppelt so teuer wie die Arte. Die Maestro ist deutlich stärker auf Bequemlichkeit ausgelegt . Sie bietet das halbautomatische Tampermodul und beherrscht sechs verschiedene Getränkearten auf Knopfdruck. Letzteres vor allem aufgrund des integrierten Milchaufschäumens, der der Arte fehlt. Wer es aber vor allem auf guten Espresso abgesehen hat und Handarbeit nicht scheut, fährt mit der Arte sehr gut und vor allem deutlich günstiger.