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E-Bike-Federung: Darauf müssen Sie beim Kauf achten

Mit oder ohne E-Bike-Federung. Eine wichtige Frage vor dem Kauf eines E-Bikes.

Person auf einem E-Bike in der Natur.
© Axel Brunst / Unsplash

Das Angebot an Rädern mit E-Bike-Federung ist vielfältig. Dazu zählen E-Bikes mit einer Federgabel und sogenannte E-Bike-Fullys, bei denen beide Räder gefedert sind. Es gibt aber auch gänzlich ungefederte Modelle. Welches Konzept das richtige ist, hängt von der geplanten Nutzung ab. IMTEST klärt auf.

Entwicklung der Federung von den Anfängen des Fahrrads bis zum heutigen E-Bike

Die Anfänge des Fahrrads waren für die Fahrer mühsam bis lebensgefährlichen. Während die Draisine – ein 1817 vom badischen Erfinder Karl von Drais vorgestelltes Laufrad mit Holzrädern, die von einem Eisenreifen umgeben waren –, nicht leicht zu steuern war und den Fahrer jede Bodenunebenheit spüren ließ, erforderten die 50 Jahre später auftauchenden Hochräder wahrhafte Balancierkünste, um die gefürchteten Kopfstürze zu vermeiden. Ab 1885 wurde dann das kettengetriebene “Sicherheitsniederrad” im Erscheinungsbild des heutigen Fahrrads zur Standardkonstruktion. Dann tat sich 100 Jahre lang – nichts.

Das ist freilich überspitzt formuliert, denn Innovationen wie etwa die Gangschaltung oder immer bessere Bremsen erhöhten die Alltagstauglichkeit und den Nutzwert des “Velozipeds” signifikant. In Sachen Federung sollte es aber tatsächlich bis zur Mitte der 1980er Jahre dauern, um Fahrräder mit Federgabel oder gar gefedertem Hinterrad auszustatten.

Hierzu musste man, im wahrsten Sinne des Wortes, das Rad nicht neu erfinden: Beim großen Bruder, dem Motorrad, waren Federsysteme schon seit etwa 1910 im Einsatz. Denn ohne Federung (und Dämpfung) lässt sich ein Motorrad bei höherem Tempo kaum beherrschen.



Aller Anfang geht querfeldein

Triebfeder im Fahrradbereich waren die Mountainbikes, die in den 1980er Jahren zunehmend populär wurden und anfangs noch gänzlich starr über Stock und Stein staksten. Bald erschienen die ersten Modelle mit Federgabel, wodurch sich neben dem Komfort auch die Fahrsicherheit – vor allem auf schnellen Bergab-Passagen – im Gelände erheblich verbesserte. Mit Ausnahme von Rennrädern zählt die Federgabel heute bei fast allen Fahrrädern und E-Bikes zum Goldstandard.

Darüber hinaus wurde es in den 1990ern populär, das Bike mit einer gefederten Sattelstütze aus dem Zubehör nachzurüsten. Das war schon ein kleiner Vorgeschmack auf die Hinterradfederung, derbe Stöße schlugen nun nicht mehr gänzlich ungefiltert auf die Bandscheiben und das Steißbein durch. Allerdings veränderte sich beim Pedalieren permanent der Abstand zwischen Pedal und Sattel und die ungefederten Massen waren auch weiterhin recht hoch, weshalb das Hinterrad noch immer ziemlich hölzern über Unebenheiten stolperte. ­Die Idee, die Hauptlast – den Fahrer – per Federkraft vom Fahrrad etwas zu entkoppeln, war indes nicht so neu: Schon die ganz frühen Velos verfügten oft über einen Sattel, unter dessen Sitzfläche sich gut sichtbare Stahlfedern um etwas Bequemlichkeit für das Sitzfleisch bemühten.



Spezial-Ausrüstung kostet extra

Der nächste logische Schritt bei den Mountainbikes war die Hinterradfederung, die den Komfort, die Traktion und die fahrdynamischen Möglichkeiten (insbesondere im Downhill-Sport) auf ein neues Level hob. Da ein gefedertes Hinterrad beim Pedalieren, insbesondere beim Wiegetritt bergauf, zu wippendem Ein- und Ausfedern neigt, gingen die Hersteller vom ursprünglichen Eingelenker-Hinterbau zu aufwendigeren Viergelenker- und VPP-Konstruktionen über, die das unerwünschte Wippen deutlich reduzieren. Ferner lassen sich bei modernen (E-)Mountainbikes für Bergauf-Etappen sowohl das hintere Federbein wie auch die Federgabel per “Lockout” blockieren – so kann man effizient und ohne lästiges Wippen den Berg erklimmen.

Frau fährt mit E-Mountainbike auf sehr unebener Strecke durch einen Wald
© Scott

So geschmeidig ein modernes E-Fully (Full Suspension Bike) den Waldboden glattbügelt, so teuer muss sein aufwendiges Fahrwerk bezahlt werden. Rund 3.500 Euro sind für ein qualitativ hochwertiges, vollgefedertes E-Mountainbike einer Qualitätsmarke wie Cube, Giant oder KTM zu kalkulieren, ordentliche E-Mountainbikes mit starrem Heck (“Hardtail”) gibt es hingegen schon für etwa 2.500 Euro.



Auch ohne Federung, dank dicker Reifen

Dennoch verzichten Puristen gerne auf den gefederten, bisweilen wippenden Hinterbau und schätzen die direkteren Fahreigenschaften eines Hardtails. Schließlich bieten ja auch die Reifen ein gewisses Maß an Federung. Das Extrembeispiel sind in dieser Hinsicht die (E-)Fatbikes, deren Ballonreifen mit lediglich 0,5 bis 1,0 bar gefahren werden und enormes Schluckvermögen sowie unerreichten Geländegrip bieten. Daher verfügen viele (E-)Fatbikes nicht einmal über eine Federgabel.

Der komplette Gegenentwurf zum (E-)Fatbike ist das (E-)Rennrad, das aus Gewichtsgründen und entsprechend seinem ausschließlichen Einsatz auf der Straße vollständig auf eine Federung verzichtet. Aber nur auf den ersten Blick. Denn (E-)Rennräder (und die mit ihnen eng verwandten (E-)Gravelbikes) sind, trotz der mitunter auf 6 bar aufgepumpten Reifen, nicht ganz so bocksteif wie sie aussehen, sondern absorbieren Stöße über die Gabel und den Rahmen. In engen Grenzen natürlich, aber für Kanaldeckel und kleine Schlaglöcher durchaus ausreichend. Merke: Ein bisschen Federung hat jedes Bike.



E-Bikes ohne Federung

Wie oben erwähnt, fahren E-Rennräder und E-Gravelbikes grundsätzlich ohne Federelemente vor. Komplett ungefederte E-Bikes, die also nicht einmal über eine Federgabel verfügen, gibt es außerdem noch in Form von E-Falträdern, E-Hollandrädern sowie Designerstücken à la VanMoof oder Rabeneick. Allen Ungefederten gemein ist ihre ausschließliche Eignung für die Straße. Eine Feldweg-Tour wird da schnell zur Tortur.

E-Bike von Riese und Müller in Seitenansicht
© Riese & Müller

E-Bikes mit Federgabel

E-Bikes mit Federgabel stecken Kanaldeckel und Schlaglöcher gut weg, sind vergleichsweise leicht und preisgünstig. Sie sind ein guter Kompromiss für den überwiegenden Einsatz auf der Straße und gelegentliche Abstecher auf Feldwege. Es gibt sie in praktisch allen Erscheinungsformen: Als City-E-Bike, Trekking-E-Bike, E-Lastenrad und E-Mountainbike. Wer abseits von den sportlichen Extremen Rennrad und Mountainbike-Fully einfach ein E-Bike für den Alltag haben möchte, fährt mit einer Federgabel am besten.

Vollgefedertes E-Mountainbike ("Fully") von Trek in der Seitenansicht.
© Trek

Vollgefederte E-Bikes

E-Bikes, die sowohl über eine Federgabel als auch eine gefederte Schwinge verfügen, werden praktisch nur in Form von E-Mountainbike-Fullys angeboten. Sie sind stark geländelastig konzipiert und eignen sich, auch hinsichtlich Sitzposition und Bereifung, weniger für Straße, Stadt und Alltag. Im Wald und insbesondere auf abschüssigen Gelände-Passagen sind sie hingegen unschlagbar­­.

Fazit

Ob gänzlich ungefedert, mit Federgabel oder Full Suspension: Alle drei Konzepte haben ihre individuelle Daseinsberechtigung. Das E-Bike mit Federgabel und starrem Hinterbau ist der beste Kompromiss für den Alltag. Während ungefederte und vollgefederte Bikes vorwiegend für den sportlichen Einsatz vorgesehen sind.

IMTEST- Redakteur Horst Schröder vor Hintergrund (Hamburg)

Als festangestellter Redakteur im Ressort Future Mobiltiy testet Horst Schröder für IMTEST E-Bikes, Gravelbikes, E-Scooter sowie E-Autos. Passend dazu testet er diverse Zubehör-Produkte wie Fahrradträger oder Dachboxen. Neben Tests und Ratgebern rund um Gesundheitsthemen oder Online-Dienste etwa für Daten-Speicherung (Cloud), erstreckt sich die Expertise des ausgebildeten Print- und Online-Redakteurs zudem über das Thema Camping. Dieses begleitet er mit Tests von Reisemobilen, Camper-Vans und Zubehör wie Zelten oder Softshell-Jacken. Vor seiner Tätigkeit bei IMTEST arbeitete er als Inhaber eines Redaktionsbüros (Print und Online) freiberuflich unter anderem als Testredakteur für die Computerbild. Neben Technik-Themen aller Art, ist für den Bulli-Fahrer die weite Outdoor-Welt eine Passion. Sie erreichen ihn via E-Mail.