Die Zeiten, als sich die ganze Familie am Samstagabend vor dem Fernseher im Wohnzimmer versammelte, um gemeinsam „Wetten dass …“ oder andere beliebte Shows oder Filme zu sehen, sind lange vorbei. Heute prägen andere Sehgewohnheiten die Fernsehlandschaft – und Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime Video haben ihren Anteil daran.
Denn viele Zuschauer haben längst ein Abo bei einem oder mehreren Anbietern abgeschlossen, um Serien und Filme dann zu sehen, wann sie es wollen – ganz ohne Werbung oder andere Unterbrechungen und oft in besserer Bild- und Tonqualität als ARD, ZDF, RTL oder Pro Sieben das bieten können. Doch es gibt zwischen den einzelnen Streaming-Diensten große Unterschiede. Welche das sind und welche Zielgruppe bei welchem Anbieter fündig wird, klärt der Test.
Inhaltsverzeichnis
- Streaming-Dienste mit diesem Film- und Serienangebot
- Netflix mit Problemen
- Amazon Prime Video nur Nebenkriegsschauplatz
- Disney dreht auf
- Die Methode Apple+
- Joyn+ – nur eine Mediathek?
- Achtung: Streaming-Dienste und Lizenzen
- Wo es am meisten 4k-Inhalte zu streamen gibt
- Tonvielfalt beim Streamen
- Netflix lässt nicht testen
- Streaming-Dienste ziemlich (Un-)übersichtlich?
- FAZIT
Streaming-Dienste mit diesem Film- und Serienangebot
Was die Angebotsmenge angeht, liefern sich die Streaming-Dienste Netflix und Amazon Prime Video ein enges Rennen. Prime gewinnt mit 5.500 Serien und Filmen, Netflix kommt auf 5100. Dahinter folgt Joyn+ mit 3.600 Inhalten. Disney+ kommt auf 1.700 Filme und Serien. Schlusslicht ist hier Apple TV+ mit etwas mehr als 70 Inhalten.
Allerdings sagt das wenig über die Qualität der Filme und Serien aus, daher hat IMTEST auch den IMDB-Vergleich gezogen. Dort können Fans aus aller Welt für Filme und Serien Bewertungen abgeben und die Redaktion hat nachgesehen, wie viele von den 250 besten Filmen und Serien bei welchem Anbieter zu finden sind*.
Hier hat Netflix die Nase vorn: 53 der besten Filme gibt es dort, bei den Serien kann der Streamingdienst sogar 66 bieten. Konkurrent Prime Video kommt nur auf gut die Hälfte dieser Inhalte.
*die Streamingdienst-Seite „werstreamt.es“ hat IMTEST bei der Datenerhebung unterstützt
Netflix mit Problemen
Wie diese Inhalte zustande kommen, das ist bei den Anbietern allerdings sehr unterschiedlich. Das US-Unternehmen Netflix fährt seit vielen Jahren zweigleisig. Neben vielen Eigenproduktionen setzt Netflix auch auf die Lizensierung erfolgreicher Filme und Serien von US-Sendern wie CBS oder NBC. Doch weil diese mittlerweile zum Teil eigene Streaming-Dienste gegründet haben und ihre Inhalte lieber dort platzieren, dünnt das den Markt für Netflix aus.
Zudem haben die Drehbeschränkungen während der Corona-Pandemie mittlerweile auch das Programm erreicht: Neue Serien und Filme gibt es nicht mehr in der gleichen Menge wie vor zwei Jahren – oder Serien werden nochmals zerlegt und nicht mehr in einer, sondern in zwei Staffeln gezeigt. So wurde die französische Erfolgsserie „Lupin“ mit Omar Sy in je fünf Episoden pro Staffel präsentiert, um regelmäßiger Neuheiten liefern zu können. Für Zuschauer ist das aber eher frustrierend als spannend. Doch solange Netflix Publikumsmagneten wie „Stranger Things“ oder „Bridgerton“ produzieren, werden viele Nutzer bleiben.
Amazon Prime Video nur Nebenkriegsschauplatz
Während für Netflix der Erfolg von vielen Kunden abhängt, liegt das Amazon-Modell da etwas anders. Hier ist der Prime-Kunde ohnehin König, für etwa 8 Euro pro Monat – oder 69 Euro als Jahres-Abo. Dafür bekommt der Nutzer aber nicht nur das Prime-Video-Angebot, sondern auch Bestellungen kostenlos nach Hause und noch viele andere Angebote wie Amazon Music.
Dementsprechend kann Prime Video in der Menge selbstproduzierter Filme und Serien mit Netflix auch nicht mithalten – nur etwa eine Serie pro Monat schickt der Streaming-Dienst von Amazon ins Rennen um die Zuschauergunst. Die haben aber wie bei Netflix häufig eine junge Zielgruppe im Fokus und so setzten beide stark auf Sci-Fi, Horror und Fantasy-Serien mit jungen Darstellern und erfolgreichen Roman- oder Comicvorlagen. Mit Ausnahmen: So hat Amazon-Boss Jeff Bezos die Sci-Fi-Serie „The Expanse“ gerettet, weil er selbst Fan ist – aber definitiv nicht mehr der Kernzielgruppe angehört. Und auch die „Jack Ryan“-Serie nach den Romanen von Tom Clancy schielt deutlich auch auf ältere Zuschauer.
Kostenpflichtige Inhalte auf Prime Video
Zudem bietet Amazon Prime Video auf der Startseite immer einen Mix aus Inhalten, die dem Prime-Kunden kostenlos zur Verfügung stehen und Filmen oder Serien, für die Extra-Gebühren anfallen. So bietet Prime Video eigene Kanäle an, die der Kunde für einen kleinen Betrag dazubuchen muss, um ihn zu nutzen, zum Beispiel „Home of Horror“ oder „Starzplay“. Hier punktet Netflix mit mehr Übersicht: Alles, was der Nutzer sieht, darf er sich auf kostenlos ansehen.
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Disney dreht auf
Der Streaming-Dienst des Disney-Konzerns ist erst zwei Jahre auf dem Markt, hat sich aber mit 18 Prozent Marktanteil bereits den deutlichen dritten Platz gesichert. Und das ist nachvollziehbar. Denn Disney+ kann nicht nur auf sämtliche Inhalte von Disney und 20th Century Fox zurückgreifen, was Kinofilme angeht, sondern auch auf viele Serien der US-Sender ABC und FOX. Und weil die Amerikaner in Deutschland auch zügig den Reiter „Star“ mit erwachseneren Inhalten eingeführt haben, finden die Kunden nicht nur familientaugliche Inhalte bei Disney+, sondern ein echtes Vollprogramm, in dem auch härtere Filme ab 16 oder sogar 18 Jahren nicht fehlen.
Momentan punktet der Streaming-Dienst aber vor allem durch neue Serien aus den beiden zugstärksten Marken des Mäuse-Konzerns: Star Wars und Marvel. Während die Superhelden bereits mehrfach im Jahr in neuen Serien zu sehen sind und der Ausblick auf die kommenden Jahre da auch rosig bleibt, fängt Star Wars nach dem Erfolg von „Der Mandalorianer“ gerade erst an, weitere Serien zu produzieren. Doch die Fans dürfen erwarten, dass in ein bis zwei Jahren ähnlich viele Serien aus dem Star Wars-Universum laufen werden wie bereits jetzt aus dem Hause Marvel.
Familienfreundliche Inhalte dauerhaft im Programm
Dazu kommt das üppige Programm für Familien und jüngere Zuschauer, das Disney noch Jahre mit Klassikern auffüllen kann und noch so manche Serie hinzufügen wird, die momentan rechtlich noch bei deutschen TV-Sendern gebunden ist. Aber der Konzern wartet bei auflaufenden Lizenzen nicht lange und integriert sie zügig ins eigene Portfolio. Und so kann Disney+ nach zwei Jahren bereits mehr als 1.300 Filme und knapp 450 Serien zeigen – Tendenz steigend. Zwar lizensiert auch Disney Inhalte von anderen wie beispielsweise Kinderfilme von der deutschen Constantin Film, der Löwenanteil der Inhalte gehört aber Disney – und bleibt deshalb dauerhaft auf Sendung.
Die Methode Apple+
Der Apple-Konzern ging beim eigenen Streaming-Dienst Apple TV+ einen ganz anderen Weg. Statt sich mit Inhalten vollzupacken, die zu kriegen waren, setzt Apple komplett auf Eigenproduktionen und im Filmbereich auf den Einkauf von Kinofilmen vor der Veröffentlichung, wie zum Beispiel den für Oscars gehandelten „CODA“. Noch spannender sind hier aber die Serien.
Denn die Produktion der eigenen Shows betreibt Apple mit großzügigen Budgets, die man sieht. Gegen Look und Optik von Serien wie „Foundation“, „See“ oder „Infiltration“ kommt kaum eine andere Serie an, ob sie nun von Netflix, Amazon Prime Video oder einem US-TV-Sender produziert wurde. Damit ist Apple TV+ vor allem für Besitzer von modernsten Fernsehern und Spaß an guter Optik eine Empfehlung wert, auch wenn der Streaming-Dienst mit knapp 30 Filmen und gut 50 Serien allen anderen Anbietern nicht konkurrieren kann.
Für wen sich Apple TV+ lohnt
Das Angebot lohnt sich zum Beispiel für Käufer eines neuen Apple-Gerätes, die Apple TV+ für drei Monate (früher mal ein Jahr) kostenlos erhalten. Und für Vielseher, die sich die hochwertigen Serien von Apple gern ansehen würden. Immerhin hat Apple sogar zwei Serien („Ted Lasso“, „Long Way Around“) in den Top 250-Serien bei IMDB. Bei 54 Serien insgesamt eine gute Quote. Als alleiniger Streaming-Dienst taugt Apple TV+ dennoch nur bedingt, denn der Konzern streut seine Inhalte thematisch stark. So werden Sci-Fi-Fans nur ein halbes Dutzend Serien finden, Drama-Fans geht es ähnlich, wer es gruselig mag, ist noch schlechter dran. Das ist auf Dauer doch etwas wenig. Und so wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis das Angebot ein Jahresabo rechtfertigen kann.
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Joyn+ – nur eine Mediathek?
Joyn+ liest sich mit den mehr als 2.000 Filmen und 1.300 Serien auf den ersten Blick gut. Allerdings gibt es das meiste davon bereits im normalen Joyn-Katalog. Nur für Highlights wie die neue deutsche Serie „Blackout“ oder „The 100“ will die aufgebohrte Mediathek der Pro Sieben/Sat1-Gruppe eine Monatsgebühr haben. So stehen in den eigenen Charts Sendungen wie „Joko und Klaas: Duell um die Welt“ oder „The Voice of Germany“ weit oben – Formate, die der Film- und Serienstreamer oft nur bedingt interessant findet.
Und das umreißt auch die Zielgruppe des Streaming-Dienstes recht gut: Hier fühlt sich wohl, wer auch Reality-TV-Formate schätzt und Shows wie „Das große Backen“ oder „Dein Lokal, mein Lokal“ sehen möchte. Zwar verfügt Joyn+ auch über Film- und Serienhighlights, immerhin 12 Filme und 13 Serien aus den Top 250 finden sich im Angebot, aber der Schwerpunkt liegt nicht darauf.
Ebenfalls spannend dürfte für einige Nutzer der Zugang zu vielen Mediatheken (insgesamt 38) sein, bei denen lediglich die Programme der Konkurrenz von der RTL-Gruppe fehlen. Auch Live-TV lässt sich über die Joyn-App streamen. Und als eine Art Allzweckwaffe für diverse Ansprüche der Nutzer ist Joyn+ dann auch durchaus sinnvoll. Serien- und Filmfans sind aber bei den drei Marktführern besser aufgehoben.
Achtung: Streaming-Dienste und Lizenzen
So gut manche Angebote auch sein mögen: Sie können sich problematisch gestalten, wenn sie von den Streaming-Diensten nur lizensiert werden. Denn diese Verträge laufen meist irgendwann aus. Bei Filmen ist das in der Regel kein großes Problem, solange der Nutzer keine Ewigkeiten wartet, bis er sich einen Film aus der Favoritenliste ansieht. Lange Serien mit vielen Staffeln können hingegen möglicherweise aus dem Angebot eines Streaming-Dienstes verschwinden, bevor alle Folgen konsumiert sind. Hier lohnt es sich immer herauszufinden, wem die Serie tatsächlich gehört. So werden Shows, die beispielsweise auf den US-Sendern ABC oder FOX gelaufen sind, über kurz oder lang wohl alle zu Disney+ wandern. Wer sie bei einem anderen Dienst schaut, muss damit rechnen, dass sie dort irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen.
Kurzfristige Verluste von Inhalten sind zwar selten, kommen aber ebenfalls vor. So musste Netflix zwei Tage vor Start der vierten Staffel von „Star Trek Discovery“ die Serie komplett aus dem Programm nehmen, weil Paramount, der die Serie gehört, die Staffel als Zugpferd für den geplanten Deutschlandstart von Paramount+ im Frühjahr 2022 nutzen möchte. Verlierer ist hier der Fan, der sich auf die neuen Episoden schon gefreut hat.
Wo es am meisten 4k-Inhalte zu streamen gibt
Bei der technischen Qualität der Angebote klaffen ebenfalls große Unterschiede. So bietet Joyn+ als eine Art aufgebohrte Mediathek der Pro Sieben/Sat1-Gruppe kein 4k. So ist hier bei HD-Qualität Schluss. Bei Amazon Prime Video, die die meisten Inhalte von TV-Sendern und Filmstudios lizensieren, sind auch 4k-Angebote dazwischen. Das Gros beschränkt sich aber ebenfalls auf HD. Die wenigen selbstproduzierten Serien und Filme sind allerdings alle in 4k-Auflösung zu sehen.
Komplett in 4k ist das Portfolio von Apple TV+, die ausschließlich auf Eigenproduktionen setzen und die technisch perfekt umsetzen. Netflix produziert viel selbst und bietet das auch meist in 4k an – aber als einziger der Streaming-Dienste nur gegen Aufpreis. Wer die beste Qualität will, muss mit 18 Euro pro Monat tief in die Tasche greifen. Da ist Disney+ mit vielen Inhalten in 4k nur halb so teuer.
Tonvielfalt beim Streamen
Für die meisten Streaming-Dienste gehören unterschiedliche Sprachen als Tonspur und Untertitel sprichwörtlich zum guten Ton – fast alle bieten mehrere Sprachen für Auge und Ohr. Hier fällt Joyn+ besonders ab, die oft nur eine deutsche Tonspur bereitstellen. Manchmal gibt es zusätzlich noch Englisch. Mehr ist hier nicht zu holen. Doch für die meisten Nutzer dürfte das auch genügen. Und weil viele Inhalte bei Joyn+ ehemalige TV-Formate sind, fehlt oft ansprechender Surround-Sound, der bei allen anderen Streaming-Anbietern im Test Standard ist.
Downloads von Inhalten zum späteren Offline-Schauen gibt es bei Joyn+ als einzigem der getesteten Anbieter auch nicht. Dafür punktet der Streamingdienst mit vielen Mediatheken deutscher TV-Sender im Zugriff.
Soundbars: Die Extraportion TV-Klang
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Netflix lässt nicht testen
Ist dieser Anbieter das Richtige für mich? Diese Frage stellt sich mancher potenzielle Kunde. Und darf überall kostenlos testen – außer bei Netflix. Der Streaming-Riese hat sein Test-Angebot von 30 Tagen mittlerweile komplett eingestellt. Die Begründung, der Kunde könne ja monatlich kündigen zieht dabei wenig. Denn das gilt für alle anderen Anbieter auch – die trotzdem eine Testphase anbieten. Apple TV+ spendiert dabei eine Woche, der Rest erlaubt seinem potenziellen Neukunden 30 Tage kostenlose Nutzung.
Streaming-Dienste ziemlich (Un-)übersichtlich?
Unterschiede finden sich auch bei der Bedienung der einzelnen Streaming-Dienste. So bietet Amazon Prime Video neben einer ganzen Menge an Film- und Serien-Kategorien auf der Startseite eine eigene Kategorie mit Inhalten, die bald verschwinden – das sucht der Kunde bei Netflix vergeblich. Dafür bietet der Dienst die täglich aktualisierte Top Ten des Landes und eine Benutzeroberfläche, die ein wenig aufgeräumter ist, ähnlich wie bei Disney+. Diese zeigen unter anderem auffällige Reiter mit Unterkategorien beziehungsweise den Studios an.
Suchfunktionen bieten alle Dienste, verschiedene Profile hingegen nicht. Auch bei der Kindersicherung bekleckert sich keiner der Anbieter mit Ruhm. So gibt es kaum umfassenden Schutz.
FAZIT
Die Masse macht’s! Amazon Prime Video mit dem günstigen Preis und dem enormen Angebot an Filmen und Serien liegt leicht vorn. Netflix kann da zwar mit den meisten qualitativ hochwertigen Filmen und Serien gegenhalten, die Preispolitik des Streaming-Dienstes ist aber diskussionswürdig. Vor allem der teure 4k-Zugang dürfte manchen Kunden ärgern. Ebenfalls qualitativ hochwertig ist Apple TV+, die konsequente Weigerung, Serien und Filme zu lizensieren und so ein größeres Angebot zu schaffen, belässt das Angebot aber trotz der optisch vielleicht besten Serien auf dem Markt auf Nischen-Niveau.
Disney+ dürfte mit rasend schnell wachsendem Angebot und gutem Preis den beiden Konkurrenten Prime Video und Netflix bald noch näherkommen. Joyn+ hingegen ist eher für TV-Vielseher spannend, die ihre Lieblings-Reality-Show nochmal sehen oder unterwegs das TV-Programm nutzen möchten. Als Streaming-Dienst mit Serien- und Filmhighlights bleibt das Angebot hingegen blass.